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Das gebrochene Versprechen

Das gebrochene Versprechen

Titel: Das gebrochene Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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achselzuckend:
»Er war einfach ein Arschloch, schätz ich.«
    Eine typische
Rattray-Einschätzung. »Wissen Sie, wie er heißt oder wo er wohnt?«
    »Nee.«
    »Oder sonst irgendwas über ihn?
Oder über die Stiefschwester? Oder die Mutter?«
    »Nichts.«
    »Irgendwas?«
    »Ich hab Ihnen alles gesagt,
was mir zu Patricia einfällt. Also, halten Sie jetzt den Mund wegen der
Nummern?«
    »Vorerst.«
    »Himmelherrgott!« Er wandte
sich brüsk ab und marschierte den Gang entlang. Am anderen Ende drehte er sich
um und zeigte mit dem Finger auf mich. »Wenn Sie Seiner Majestät was sagen,
dann, dass ich sein verdammtes Essen bestelle!«
    Nach Rats Abgang war es
plötzlich ganz still im Korridor. Die Band war ins Hyatt zurückgefahren, und
Blue Arkansas aßen in einem nahe gelegenen Restaurant. Sie waren ein netter,
struppiger Haufen — bester Laune, als sie vorhin aus ihrem großen, ausgebauten
Bus gestolpert waren, nach einer halsbrecherischen Nachtfahrt durch die Wüste.
Sie würden sich ganz schön beeilen müssen, um morgen rechtzeitig zum Konzert in
Dallas zu sein, hatte mir der Frontmann anvertraut, aber wenn man mit seinem
Kreditkartenkonto hart am Anschlag sei, lerne man, Opfer zu bringen. Genau in
dem Moment war Ricky aus einer Limousine gestiegen, und als ihn die Jungs
ehrfürchtig-scheu begrüßten, hatte ich nicht umhingekonnt, den müden Zynismus,
den mein Schwager so oft an den Tag legte, mit dem scheinbar unerschöpflichen
Enthusiasmus seiner jüngeren Kollegen zu vergleichen. Langsam kam mir der
Verdacht, dass in der Musikbranche jemand zu werden viel mehr Spaß machte, als
jemand zu sein. Jetzt trat ich zurück an die Wand, lehnte mich gegen den kühlen
Beton und lauschte der Stille. Alles, was ich hörte, waren das Brummen eines
fernen Generators und das Sirren der Neonröhren über mir. Das Coliseum war
bereit, und alle gönnten sich noch eine kleine Pause, außer den Security-Leuten.
Die Ruhe vor dem Sturm? Möglich.
    Nach ein paar Minuten nahm ich
Rickys Handy aus meiner Umhängetasche und wählte Jenny Gordons Nummer in
Austin. Diesmal gab ihr Anrufbeantworter eine Pager-Nummer an, also wählte ich
erneut. Binnen fünf Minuten rief Jenny zurück.
    »Ich bin in Nashville«,
erklärte sie, »beobachte das Apartmenthaus, wo dieser Tod Dodson wohnt. Habe
eine prima Beschreibung seiner Person und seines Wagens vom Verwalter gekriegt.
Bis jetzt hat er sich noch nicht blicken lassen.«
    »Hat der Verwalter irgendwas
über ihn gesagt?«
    »Er ist ein guter Mieter, zahlt
seine Miete pünktlich, arbeitet als Session-Musiker da und dort. Hat zwei, drei
Freundinnen, darunter eine, die vielleicht die Terriss sein könnte.«
    Und wenn sie’s war, wie hoch
war die Wahrscheinlichkeit, dass Dodson bei ihr war — entweder in Austin oder
in Dallas oder hier in Albuquerque?
    »Na ja, danke, Jenny. Geben Sie
mir Bescheid, wenn sich irgendwas ergibt.«
    Ich unterbrach die Verbindung
und gab mich wieder der Kontemplation der Stille hin. Dann ging ich an den
Wachleuten vorbei, die vor Rickys Garderobe standen, und steckte den Kopf durch
die Tür. Ricky saß in einem Sessel, die Füße auf einem niedrigen Tischchen und
die aktuelle Billboard- Nummer auf dem Schoß, und starrte ins Leere.
    »Rats bestellt dir dein Essen
hierher«, sagte ich.
    »Das wäre nicht nötig gewesen.«
    »Du musst was essen.«
    »Ich habe keinen großen Hunger.
Kann ich mal kurz mein Handy haben? Ich will meine Voice-mail abhören.«
    Ich gab es ihm und setzte mich
auf das Tischchen, während er im Hotel anrief. Beim Zuhören leuchteten seine
Augen auf, und seine Lippen verzogen sich zu einem freudig-überraschten
Lächeln. Er drückte eine Taste, um die Botschaft noch einmal abzuhören,
unterbrach dann die Verbindung und gab mir wortlos das Handy zurück. »Sie hat
angerufen?«
    »Hm.«
    »Was hat sie gesagt?«
    »Das ist privat, Schwester
Sharon.«
    »Na ja, okay, wann hat sie
angerufen? Wo ist sie?«
    »Um sechzehn Uhr
fünfundzwanzig. Und ich habe keine Ahnung.«
    »Aber du glaubst, sie ist
okay?«
    »Sie klang okay, und sie hätte
nicht gesagt, was sie gesagt hat, wenn sie’s nicht wäre.«
    Perplex und zu einem gewissen
Grad erleichtert, nickte ich und überließ ihn der Kontemplation dieser wie auch
immer gearteten freudigen Botschaft.
    Draußen auf dem Korridor war
immer noch alles still. Die Ruhe vor dem Sturm, dachte ich wieder. Und schon
wenige Sekunden darauf erwies es sich als zutreffend. Laute Stimmen kamen vom
Eingang her — Kurt

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