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Das gebrochene Versprechen

Das gebrochene Versprechen

Titel: Das gebrochene Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Girdwoods vertrautes Brüllen und Ethan Amorys sanfter Südstaatentonfall.
    »Ich sag dir doch, Ethan, sie
lassen keinen zu ihm — nicht mal mich. Weiß der Himmel, wer ihm Händchen hält;
der Rotschopf ist verschwunden, und die Schwägerin kommt mir nicht wie eine
vor, die in puncto Fürsorglichkeit viel drauf hat.«
    »Die Schwägerin ist eine
Nervensäge —« Amory hielt gleichzeitig im Reden und im Gehen inne, als er mich
sah.
    Ich ging auf die beiden zu.
»Wenn man vom Teufel spricht«, sagte ich grinsend. »Sind Sie hier, um Ihren
Arsch zu retten, Amory?« Girdwood runzelte die Stirn und sah den Anwalt
verdutzt an. Amory fuhr sich durchs Haar. »Ms. McCone, ich muss meinen Klienten
sehen. Es hat sich etwas Wichtiges ergeben —«
    »Ich richte ihm gern etwas
aus.«
    »Tut mir Leid, aber es ist
vertraulich.« Er versuchte, sich an mir vorbeizuzwängen.
    Ich packte ihn am Arm, drängte
ihn zurück. »Das würde ich nicht tun. Vor seiner Tür stehen zwei Wachleute —
bewaffnete Wachleute.« Amory wurde zornrot. »Wer hat angeordnet, dass niemand
zu ihm darf?«
    »Ricky selbst.«
    »Das glaube ich nicht. Er würde
doch sein eigenes Team nicht abweisen.«
    »Wieso nicht? Sein eigenes Team
sieht ja nichts Unrechtes daran, ihm in den Rücken zu fallen.«
    Girdwood fragte: »Was soll das
heißen?«
    »Ich glaube, das wissen Sie
sehr wohl. Und Ethan weiß es ganz sicher.«
    Wieder sah der Manager Amory
verdutzt an.
    Ich setzte hinzu: »Ich schlage
vor, Sie beide verschwinden jetzt. Gehen Sie irgendwohin und erzählen Sie sich
ein paar Storys, wie Sie meinen Schwager übers Ohr zu hauen versucht haben. Tun
Sie, was Sie wollen, nur lassen Sie ihn in Frieden — und mich auch.«
    Sie wechselten jetzt
misstrauische Blicke und fragten sich, was ich wohl über den jeweils anderen
herausbekommen hatte. Ohne weitere Kommentare oder Proteste verschwanden sie
auf demselben Weg, auf dem sie gekommen waren. Ich sah ihnen nachdenklich
hinterher. Amorys plötzliches Auftauchen bedeutete zwar nicht unbedingt einen
zusätzlichen Risikofaktor, aber eine Person mehr, mit der es sich auseinander
zu setzen galt. Warum war er nicht in Los Angeles geblieben — »Verdammte
Scheiße!«
    Rattrays empörte Stimme kam aus
der zweiten Garderobe. Ich guckte rein und sah ihn vor einem Metallkoffer
voller Diagramme, Notizbücher, Werkzeug und Kleidungsstücke knien. »So eine
gottverdammte Scheiße!«, schrie er noch einmal.
    »Was ist?«
    Er drehte sich so jäh um, dass
er fast umfiel. »Jemand war an meinem Koffer!«
    »Sie meinen diesen Koffer da?«
    »Was, zum Teufel, sollte ich
sonst meinen? Jawohl, meinen Koffer, in dem ich den ganzen Kram aufbewahre, den
ich brauche, um diese verdammte Tourerei zu überstehen! Jemand war dran.«
    »Und? Fehlt irgendwas?«
    »...Glaube nicht.« Er sah in
den Koffer, knallte dann den Deckel zu und ließ die Metalllaschen einrasten.
»Aber darum geht’s nicht. Jeder hier weiß, dass er seine Pfoten von diesem
Koffer zu lassen hat. Und jetzt ist das schon zum zweiten Mal passiert.«
    »Wann war das erste Mal?«
    »Heute Nachmittag, bevor ich
das Hotel verlassen habe. Ich hab den Koffer in der Halle abgestellt und bin an
die Rezeption gegangen, weil mit dem Zimmer für den Schlagzeugtechniker was
schief gelaufen war. Als ich wiederkam, war das Siegel futsch.«
    »Welches Siegel?«
    »Ich klebe immer ein Stück
Klebeband drüber, damit ich’s merke, wenn jemand drangegangen ist. Der
Klebstreifen lag auf dem Fußboden.«
    Ich hatte mich ja schon
gefragt, ob unsere Truppe — einschließlich meiner selbst — ein Verein von
Paranoikern war. Das hier war mehr oder minder die Bestätigung. »Vielleicht ist
der Klebstreifen einfach abgefallen, Rats.«
    »Nie und nimmer.«
    »Haben Sie mal rumgefragt, ob
irgendwer gesehen hat, wie sich jemand dran zu schaffen gemacht hat?«
    »Denken Sie, ich bin verrückt?«
    »Wieso?«
    »Ich will die Leute doch nicht
noch extra auf den Koffer aufmerksam machen.«
    »Warum nicht?«
    Er verdrehte die Augen. »Weil«,
sagte er so prononciert, als spräche er mit einer geistig zurückgebliebenen
Person, »ich da drin all das Zeug aufbewahre, das ich zum Überleben brauche.«
    Oh. In dem Koffer lagerte sein
Drogenvorrat. »Aber, Rats, warum schließen Sie ihn dann nicht ab?«
    »Schloss ist kaputt, und ich
bin noch nicht dazu gekommen, es machen zu lassen. Außerdem ist der Koffer so
eine Art Symbol.«
    »Wofür?«
    Er richtete sich so würdevoll
auf, wie es jemand, der aussieht wie

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