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Das gebrochene Versprechen

Das gebrochene Versprechen

Titel: Das gebrochene Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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ein Opossum, irgend kann. »Er ist ein
Symbol für mein Vertrauen in meine Mitmenschen. Solange sich da keiner dran zu
schaffen gemacht hat, blieb mir immerhin noch ein bisschen Glauben an die
Menschheit. Aber jetzt...« Er senkte den Blick, gab dem Koffer einen
verächtlichen Tritt und schlurfte hinaus.
    Ich starrte ihm nach. Das
konnte nicht wahr sein! Virgil Rattray, beseelt von dem Bedürfnis, sich einen
letzten Rest von Glauben an die Menschheit zu erhalten?
    Schon der Gedanke machte mich
sprachlos.
     
     
    Raes Tagebuch:
     
    20
Uhr 59, Sommerzeit der Rocky Mountains-Staaten
     
    Sprachlos.
Das war ich, als man mich über Veronica Keels Gesundheitszustand aufklärte. Sie
vegetierte seit dem Unfall nur noch dahin, gelähmt und schwer hirngeschädigt.
    Als
mir die Frau an der Pforte des Parkview-Genesungsheims diese Mitteilung machte,
tat mir die arme Veronica erst mal so Leid, dass ich gar nicht daran dachte,
was das für meine Nachforschungen hieß. Aber dann drang es zu mir durch, und
mir entfuhr ein langer, enttäuschter Seufzer.
    Die
Frau sagte: »Sie sind doch keine Angehörige, oder?«
    »Nein.
Nur... eine Freundin ihrer Schwester, Patricia Terriss. Flat die sie in letzter
Zeit mal besucht?«
    »Da
kommt überhaupt niemand. Ich dachte, Mrs. Keel hätte gar keine Angehörigen.«
    »0 doch, sie hat eine Schwester.« Ich zögerte, begann dann, meine Story
auszuschmücken wie die begnadete Lügnerin, die ich manchmal sein kann. »Wissen
Sie, Pat und ich, wir haben zusammengewohnt, während des Studiums in Texas, und
als sie ausgezogen ist, hat sie mir diese Bilder dagelassen, damit ich sie für
sie verwahre, verstehen Sie? Und mein neuer Freund ist Kunsthändler. Er hat sie
sich angeguckt und, siehe da, sie sind ziemlich wertvoll. Er hat da jemanden an
der Fiand, der sie kaufen möchte, und ich konnte Pat nicht finden, aber ich
weiß, dass sie das Geld brauchen könnte, weil es mit ihrer Karriere als
Sängerin immer noch nicht so richtig geklappt hat, und da —«
    Ich
hielt inne, weil ich den Gesichtsausdruck der Frau bemerkte. Sie sah mich an,
als fände sie mich faszinierend — so, wie man die Dame mit zwei Köpfen in einer
Jahrmarktsshow faszinierend finden würde. Shar hat mich immer wieder gewarnt,
mich nicht von meinen eigenen Legenden hinreißen zu lassen, aber ich kann nun
mal nicht anders. Vielleicht werde ich ja eines Tages doch noch
Schriftstellerin. Lahm setzte ich hinzu. »Und da habe ich mich gefragt, ob Sie
vielleicht ihre aktuelle Adresse in Ihren Unterlagen haben. Unter ›nächste
Angehöriger vielleicht.«
    »Das
Büro hat schon zu, und ich wüsste nicht, wie man an die Daten drankommt.«
    »Ist
sonst jemand im Haus, der mir helfen könnte?«
    Die
Frau klopfte mit dem Radiergummiende ihres Bleistifts auf den Tisch — sichtlich darauf erpicht,
mich loszuwerden. »Na ja«, sagte sie, »Sie können’s bei Schwester Finch
versuchen. Die ist seit Jahren hier, und Mrs. Keel ist auf ihrer Abteilung.«
    »Wo
finde ich sie?«
    »Folgen
Sie dem blauen Strich zum Schwesternzimmer im Südflügel.« Ich folgte dem blauen
Strich und versuchte, nicht allzu viel Notiz von meiner Umgebung zu nehmen. Die
Bänke auf dem Flur waren leer, aber ein paar alte Männer in Schlafanzug und
Bademantel dösten in Rollstühlen vor sich hin, die bloßen Knöchel blass und
verletzlich zwischen Hosenaufschlag und Pantoffel. Menschen, die die Welt
vergessen hatte — und offenbar auch das Pflegepersonal. Aus offenen Türen zu
beiden Seiten kamen Husten, Stöhnen, pfeifendes Atmen und Fernsehgemurmel. Ein
medizinischer Geruch überlagerte die subtileren Odeurs von Krankheit und
Verfall.
    Ich
will meine Tage nicht so beschließen, dachte ich. Und dann dachte ich an meine
Eltern, die betrunken in einem Autowrack geendet hatten, auf der Küstenstraße
bei Pismo Beach. Auch nicht die tollste Art, aus dieser Welt zu scheiden. Aber
da war ja noch meine Großmutter — die mit siebenundsiebzig von einem
Herzinfarkt gefällt worden war, als sie gerade versucht hatte, einen völlig
gesunden Brombeerstrauch, der sich in ihrem Garten breit machte, zu ermorden.
Unter diesen Alternativen würde ich letztere wählen. Grandma war wenigstens
aktiv und stocknüchtern gewesen und mit etwas beschäftigt, was sie gern tat —
wenn es auch das Hinmetzeln unschuldiger, harmloser Gewächse war.
    Die
Frau im Schwesternzimmer war klein und dicklich, mit weit auseinander stehenden
dunklen Augen und indianischen Zügen. Auf ihrem Namensschildchen

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