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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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mich fragen, ob er es nicht regelmäßig nutzen könne. Aber nein, darum ging es nicht. Er hatte ja auch noch seine Wohnung. Das Problem war nicht, dass sie nicht gewusst hätten, wohin – notfalls hätten sie in ein Hotel gehen können –, sondern dass Hebe mit Justin einen Klotz am Bein hatte.
    »Angeblich gibt so etwas doch der Beziehung zusätzliche Würze«, sagte ich. »Je schwieriger es ist, sich zu treffen und sich zu sehen.«
    »Wenn ich dieses Wort ›Beziehung‹ schon höre«, fuhr er gereizt auf. »Entschuldige, aber auf mich wirkt das jedes Mal wie eine kalte Dusche. Stell dir vor, du triffst eine Frau, die dich auf den ersten Blick elektrisiert, wie mir das bei Hebe passiert ist, und sagst: ›Ich will eine Beziehung mit dir …‹ Glaubst du wirklich, die Leute reden so?«
    Ich musste lachen und sagte, ich wüsste es nicht, aber möglich wäre es.
    »Im Übrigen können wir uns über mangelnde Würze, wie du sagst, nicht beklagen, da kann nichts fad werden, auch wenn wir uns täglich treffen würden. Was beim jetzigen Stand der Dinge höchst unwahrscheinlich ist.« Er sah mich kurz von der Seite an. »Ich habe noch nicht mit ihr darüber gesprochen, aber ich überlege mir, ob ich sie bitten soll, Gerry Furnal zu verlassen.«
    »Und zu dir zu ziehen?« Ich dachte an seine Freundschaft mit Nicola Ross und wunderte mich etwas, aber so hatte er es nicht gemeint.
    »Nicht direkt.« Er sah mich erneut an und rasch wieder weg. »Ich könnte eine Wohnung für sie mieten.«
    »Sie soll also ihren Mann verlassen und in einem gemieteten Liebesnest leben? Und was ist mit dem kleinen Jungen?«
    Ich war damals ein Kindernarr und bin es – allerdings etwas gemäßigter – immer noch. Im Frühjahr 1990, als Nadine ein halbes Jahr alt war, blieb mein Blick an jedem Baby, jedem Kleinkind hängen, das mir auf der Straße begegnete. Berichte über Kindesmisshandlungen in der Presse konnte ich nicht lesen, die Aufnahmen nicht ansehen, die der Kinderschutzbund veröffentlichte. Als Iris und ich in der Oper Peter Grimes sahen, musste ich an der Stelle, als er den Jungen schlägt, den Zuschauerraum verlassen. Deshalb hatte ich sofort an den zweijährigen Justin Furnal denken müssen.
    »Sie würde ihn mitnehmen«, sagte ich.
    »Meinst du? Darauf war ich noch gar nicht gekommen. Das wäre allerdings von Nachteil.«
    Ich mag Ivor sehr gern – heutzutage. Bei jenem Gespräch kam bei mir fast so etwas wie Abneigung auf. So ging es mir öfter mit ihm. Eben noch war ich angetan von seinem Charme und seiner stürmisch-verwegenen Art, und plötzlich sagte er etwas, was das alles zunichtemachte und mich geradezu empörte.
    »Selbst wenn sie ihren Mann verlassen würde, und ich habe nicht den Eindruck, dass du davon ausgehen kannst – wie denkst du dir das in Zukunft? Furnal und sie würden sich scheiden lassen, und sie würde das Sorgerecht für Justin bekommen.« Ich nannte den Jungen beim Namen, weil es mir widerstrebte, »das Kind« zu sagen.
    »Glaubst du, Rob? Schließlich hätte sie Ehebruch begangen.«
    »Ich denke, du bist Anwalt«, sagte ich. »Hast du noch nie von einverständlicher Scheidung gehört? Falls sie nicht kriminell oder drogensüchtig ist, bekommt sie das Sorgerecht, wie tugendhaft dieser Gerry Furnal auch sein mag.«
    »Daran hatte ich nicht gedacht. Schreckliche Vorstellung, dass einem dieses Kind ständig im Weg ist … Es ist schon schlimm genug, wenn wir telefonieren.« Dass ich leicht von ihm abrückte, merkte er offenbar nicht. Ich nahm einen großen Schluck Wein. »Wenn Gerry sich scheiden lassen würde, müsste ich sie wohl heiraten.«
    »Für einen Mann mit so gewagten sexuellen Neigungen, Ivor«, sagte ich – und dachte noch rechtzeitig daran, dass ich von dem, was mir Iris vertraulich erzählt hatte, nichts rauslassen durfte –, »bist du erstaunlich altmodisch. Eine Geliebte in einem Liebesnest, eine heimliche Affäre – und jetzt glaubst du, ihre Ehre retten zu müssen. Natürlich müsstest du sie nicht heiraten, aber ich denke, du müsstest ihr ein Heim bieten, mit ihr zusammenleben.«
    »Ein Heim bieten – wie das klingt! Ich sehe förmlich eine fette Matrone vor mir … Entschuldige, ich bin gemein.«
    Ich fragte vorsichtig, ob er sich überlegt habe, was die Presse dazu sagen würde.
    »Fehlt nur noch, dass du von den ›Printmedien‹ sprichst!« Er lachte. »So ein persönlicher Referent ist doch nur ein kleiner Fisch in einem großen Teich. Hast du schon mal zugesehen, wie

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