Das Geflecht
geht mir nahe. Außerdem habe ich doch ein klein wenig zum glimpflichen Ausgang der Geschichte beigetragen.»
«Unbestritten», gab Tia zu.
«Vielleicht darf ich Ihnen wenigstens meine Telefonnummer geben», bat Carolin und drückte Tia ein Visitenkärtchen in die Hand. «Wenn Sie wieder einmal in dieser Gegend sind und sich in irgendwelche Abenteuer stürzen, würde ich mich freuen, es rechtzeitig zu erfahren.»
Tia lächelte unwillkürlich. Das Anerbieten war fraglos charmant.
«Ich werde daran denken», versprach sie. «Aber tun Sie mir einen Gefallen …»
«Ja?»
«Besorgen Sie sich ein anderes Parfüm.»
Carolin Frey lachte herzlich.
••• ABENDS ••• LEON •••
Leon klappte seinen Laptop zusammen und mühte sich, ihn in die überquellende Reisetasche zu zwängen. Tia war bereits mit Packen fertig und hatte sich zu ihm auf das Sofa gesetzt. Amfolgenden Morgen würden sie nach Berlin zurückkehren – es war höchste Zeit, denn Leons Urlaub war zu Ende und das Hotelzimmer nicht billig.
«Hast du auch nichts vergessen?», fragte Leon wie üblich.
«Nicht dass ich wüsste.» Tia seufzte. «Das Einzige, was fehlt, ist mein Cave-Suit – jammerschade, dass er verbrannt werden musste.» Wieder seufzte sie. «Ach, da fällt mir doch etwas ein! Ich habe den Bericht der Klinik über den Pilz vergessen.»
«Keine Sorge», sagte Leon und griff nach den Blättern, die sie auf den Schreibtisch gelegt hatte. «Er ist hier. Soll ich ihn dir vielleicht vorlesen?»
«Wärst du so lieb?»
Leon überflog den Bericht, der von Tabellen voller Messwerte und Aufnahmen eines Elektronenmikroskops durchsetzt war. «Ich verstehe natürlich nicht jedes Wort, schließlich bin ich kein Biologe», begann er, las hier und dort einen Absatz und versuchte den Sinn des Textes zu erfassen. «Sie schreiben, dass es sich um ein einzigartiges Exemplar handelt. Die Mikrostruktur ähnelt der eines Schimmelpilzes, der auch in Tschernobyl gefunden wurde. Die Makrostruktur dagegen – riesige Gewebe mit wurzelartigen Ranken – kennt man bisher nur von holzfressenden Pilzen. Am wahrscheinlichsten ist eine Hybride, eine bislang unbekannte Kreuzung zweier Arten – du hattest also recht!»
Tia nickte befriedigt.
«Der Forschungsleiter schlägt die Bezeichnung
Cryptomyces radiophilus
vor.» Leon blätterte eine Seite um, las den Schluss des Berichts und schmunzelte unwillkürlich. «Hier steht: In einem Zeitungsbericht wurde der Pilz dagegen als
Cryptomyces traveeni
bezeichnet – offenbar dir zu Ehren.»
Tia lachte. «Na, wenn das nicht das Werk unserer lieben Carolin Frey ist! Vielleicht sollte ich wirklich mal das Lindener Tageblatt lesen.»
«Tja, die gute Frau bewundert dich eben.»
«Meinst du? Was gibt’s denn an mir zu bewundern?»
Einiges,
dachte Leon heimlich. Tia lehnte in der Sofaecke, in einem schlichten, hüftlangen T-Shirt , einen Arm auf die Lehne gelegt, die nackten Beine lang ausgestreckt. Sie hatte den Kopf leicht geneigt, das dunkle Haar fiel ihr in die Stirn, und der nachdenkliche Ausdruck ihrer blinden Augen war anrührend wie stets. Resigniert fragte sich Leon, ob er den Rest seines Lebens damit verbringen würde, sie anzuschmachten, ohne dass sie es merkte.
«Wenn wir in zwei Wochen zur Nachuntersuchung wiederkommen, sollten wir uns eine günstigere Bleibe suchen», sagte sie, sichtlich nicht das Geringste von seinen Gedanken ahnend. «Ich habe ohnehin schon ein schlechtes Gewissen, weil du die Hotelrechnung bezahlst.»
«Kein Problem», winkte Leon ab. «Schließlich bin ich derjenige mit einem gutdotierten Job. Von den paar Kröten, die deine Assistentenstelle an der Uni einbringt, könnten wir nicht einmal den Wagen bezahlen. Aber wenn es dir unangenehm ist, sollten wir vielleicht Justin fragen, ob wir für zwei Tage bei ihm unterkriechen können.»
«Gute Idee.»
«Machst du dir Sorgen wegen der Nachuntersuchung?»
«Nein, ich habe keine Angst deswegen.»
«Auch nicht wegen des Krebsrisikos? Stell dir vor, wir würden jung sterben.»
«Werden wir nicht», sagte Tia überzeugt.
«Und wenn doch?» Kurzentschlossen wagte Leon, etwas näher an sie heranzurücken. «Das Leben kann verdammt kurz sein – vor allem, wenn man nie dazu kommt, das zu tun, was man schon immer tun wollte.»
«Dafür gibt es doch eine ganz simple Lösung», meinte Tia.«Tu das, was du schon immer tun wolltest, lieber heute als morgen.»
Leon schluckte. «Du meinst: hier und jetzt?»
Tia wandte ihm erstaunt das
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