Das geheime Leben des László Graf Dracula
Mordes schuldig sind. Inspektor Kraus hat mir gesagt, daß die Anklage gegen Brod fallengelassen wird und er das Gefängnis verlassen kann.«
Dafür gab es tosenden Applaus, obwohl die meisten Brod bestenfalls flüchtig kannten.
»Und Pater Gregor wird auch bald rehabilitiert, daran habe ich nicht den geringsten Zweifel. Bis dahin wollen wir ihn alle in unsere Gebete einschließen.« Der letzte Teil meiner Ansprache ging freilich im neu eingesetzten Getöse unter.
»Wenn sich die Gemüter nicht in ein, zwei Tagen beruhigt haben«, flüsterte Kraus mir zu, »lasse ich den Pfarrer zur eigenen Sicherheit nach Kolozsvar verlegen.«
»Die Vernunft wird bestimmt siegen«, antwortete ich mit einem resignierenden Nicken.
Dann sah ich Jakob sich durch die Menge zu mir durchkämpfen. Zu meiner Erleichterung hatte er die Ledertasche dabei, in der er die Kavalleriepistole aufbewahrte.
»Ich gehe zu Fuß«, beschied ich ihm, sobald er die Treppe erreicht hatte.
»Nimm Brod im Zweispänner mit.«
»Du solltest lieber noch eine Stunde warten«, meinte Kraus an Jakob gewandt. »Bis dahin werden sie sich beruhigt haben. Und dann fährst du vor dem Hintereingang vor.«
Ich wartete eine günstige Gelegenheit ab, um in aller Stille zu gehen. Der Inspektor leistete mir solange Gesellschaft und begleitete mich dann zum Hinterausgang. Auf dem Weg durch die Halle nahm er vom Tisch eines Beamten ein verschnürtes Päckchen und reichte es mir. »Ich glaube, das gehört Ihnen.«
Trotz der Verpackung erkannte ich die Umrisse meines Skalpells wieder.
»Paßt in Ihrem ordentlichen, wissenschaftlichen Verstand alles zusammen, Inspektor?«
»Völlig geht es leider nie auf.«
»Und wo paßt dieses Stück in das Puzzle?« fragte ich und hielt das Päckchen hoch.
»Wenn es nicht paßt, dann beweist das, daß es kein Teil des Puzzles ist.«
Aber so ganz überzeugt wirkte er selbst nicht.
Jakob hatte recht: Der Frühling lag in der Luft. Auf dem Heimweg wurde mir schnell warm. So hielt ich auf der Brücke an und zog den Mantel aus. Gerade hatte ich auch den Hut abgenommen, um mir die Stirn abzuwischen, als ich eine Stimme hinter mir hörte.
»Bravo, Graf!« Es war Oberst Rado. Er mußte am Ufer gesessen haben. Jetzt trat er heran und hockte sich lässig auf die Brüstung. In seinen Zigeunerlumpen schien er sich ganz wohl zu fühlen.
»Eine höchst politische Ansprache«, spottete er. »Pontius Pilatus wäre stolz gewesen. ›Laßt Barabas frei!‹ Aber wir dürfen uns nicht von der Kommunalpolitik ablenken lassen. Das neue Regime wird schon dafür sorgen, daß Pater Gregor kein Härchen gekrümmt wird.«
»Gilt immer noch morgen nacht?«
»Absolut. Seit unserem letzten Gespräch hat es ein paar geringfügige Änderungen gegeben. Nichts Wichtiges.«
»Was für Änderungen?«
»Wir haben entdeckt, daß es eine undichte Stelle in unserer Organisation gibt, aber keine Sorge, der Schaden ist schon wieder behoben. Wir lassen uns davon nicht aufhalten.«
»Aber wie können wir sicher sein, daß die Sache wirklich glatt über die Bühne geht?«
»Das können wir nicht. Man muß immer mit Sabotage rechnen. Oder daß der Prinz im letzten Moment doch noch kalte Füße kriegt.«
»Und er kommt bestimmt?«
»Nicht unbedingt. Aber Sie kommen. Erinnern Sie sich noch an die Schlucht, die wir letzten Herbst erkundet haben? Morgen nacht werden Sie mit einer Laterne im Tal unten sein.«
»Ich werde eine leichte Beute sein.«
»Es ist eine Frage des Vertrauens, Graf. Sie verlassen sich doch sicher darauf, daß Seine Königliche Hoheit Wort hält?«
»Selbstverständlich.«
»Dann brauchen Sie sich um nichts zu sorgen. Wie dem auch sei, der Prinz und seine Leute wollen jede Gefahr ausschließen. Das Risiko tragen allein wir.
Ein Mann mit Laterne, der die Gegend kennt. Das sind ihre Bedingungen.«
»Und danach?«
»Der Prinz wird auf dem Schloß bleiben, bis er erfahren hat, daß die politischen Korrekturen zu seiner Zufriedenheit vollzogen sind. Dann wird er mit dem Zug nach Budapest reisen und sich dort als Held feiern lassen. Damit wären wohl alle Fragen beantwortet. Wenn Sie jetzt weitergehen, drehen Sie sich am besten nicht mehr um, Graf. Ab sofort werden wir immer ganz in Ihrer Nähe sein.«
Am liebsten hätte ich Rado über das Geländer gestoßen und mitsamt seinen unseligen Machenschaften ein für allemal aus der Welt geschafft. Aber jetzt erahne ich die Konturen meines wahren Schicksals. Der Fluß der Ereignisse hat mich
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