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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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einer leeren Zelle vorbei. Durch die offene Tür sah ich einen weiß getünchten Raum, der so eng war, daß man sich kaum umdrehen konnte.
    Am anderen Ende war mit zwei Ketten ein Bett an der Wand befestigt – die Pritsche. Ein kleines vergittertes Fenster befand sich unmittelbar unter der Decke – zu hoch oben, um dem unglücklichen Gefangenen einen Blick auf die Welt draußen zu gewähren.
    In der nächsten Zelle saß Brod. Das Rasseln der Schlüssel hatte ihn alarmiert.
    Er sprang auf und drückte das Gesicht ans Gitter. »Sind Sie gekommen, um mich hier rauszuholen, Herr Graf?«
    Sein hämischer Ton ließ mich das Schlimmste für die Zeit nach seiner Entlassung befürchten.
    »Zurück mit dir!« knurrte ihn der Wärter an. »Der Herr ist nicht deinetwegen gekommen.«
    Tatsächlich wich Brod zurück. Doch selbst in diesem schwachen Dämmerlicht entging mir sein anklagender, ja haßerfüllter Blick nicht.
    »Der Polizist, den er fast erstochen hätte, ist noch nicht auf dem Damm«, erklärte mir der Wärter im vorübergehen. »Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis er wieder arbeiten kann.«
    »Mach dir keine Sorgen, Brod!« rief ich. »Du kannst dich ruhig auf mich verlassen. Bald bist du wieder frei.«

    Vergeblich wartete ich auf eine Antwort. Statt dessen glaubte ich ein säuerliches Lächeln auf seinem Gesicht zu bemerken.
    Mit viel Geklappere sperrte der Wärter Gregors Zelle auf. Der Gefangene saß mit gefalteten Händen und hängendem Kopf auf der Pritsche. Der Lärm, den der Gefängniswärter veranstaltete, hätte Tote geweckt, doch Gregor nahm unsere Gegenwart nicht zur Kenntnis. Er sah nicht einmal auf.
    »Besuch für den Vampir«, verkündete der Wärter mit der Feierlichkeit eines englischen Butlers.
    »Zeigen Sie gefälligst etwas Respekt!« fuhr ich ihn an.
    Noch immer rührte sich Gregor nicht. Nur seine Augen waren geöffnet. Er fixierte irgendeinen Punkt auf dem Boden.
    »Gehen Sie weiter«, sagte der Wärter, aber ich blieb wie angewurzelt auf der Türschwelle stehen. Lag es an der Angst davor, den Ort zu betreten, den das Schicksal für mich bestimmt hätte, wenn es gerecht gewesen wäre.
    »Ich bin's«, murmelte ich schließlich. »László.«
    Beim Klang meines Namens hob er langsam den Kopf und drehte sich zu mir um. Ich erschrak, als ich sah, daß Helenes Blut noch immer an seinen Wangen klebte.
    »Ja«, sagte er, und auf seinen Lippen spielte ein abwesendes Lächeln. Ich fragte mich, ob er mich wirklich erkannt hatte.
    »Sie haben ihn sich ja nicht einmal waschen lassen!« schrie ich den Wärter an. »Holen Sie etwas Wasser! Und ein Handtuch, ein sauberes Handtuch!«
    Als er gegangen war, um meinen Anweisungen Folge zu leisten, drehte ich mich wieder zu Gregor um. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid es mir tut, daß sie dich hier eingesperrt haben.« Ohne es zu merken, war ich nun doch in die Zelle getreten. »Wir wissen beide...«, ich wählte meine Worte mit Bedacht, weil Brod nebenan alles hörte, »wir wissen beide, daß du unschuldig bist. Aber mach dir keine unnötigen Sorgen. Hier liegt eindeutig ein Irrtum vor.«
    Ich wartete vergeblich auf eine Reaktion. Ja, er schien mich gar nicht zu hören. »Sieh mich doch bitte an«, murmelte ich. »Ich werde dafür sorgen, daß der Fall geklärt wird. Das habe ich Elisabeth versprochen. Sie macht sich schreckliche Sorgen um dich.«
    Hinter mir hörte ich das Gepolter von schweren Stiefeln. Der Wärter brachte eine weiße Emailleschüssel, aus der dünne Dampfschwaden in die kalte Luft aufstiegen. Über seinem Arm hing ein abgewetztes graues Handtuch. Ich trat beiseite, damit er die Schüssel auf der Pritsche abstellen konnte.
    Mit einem tiefen, dankbaren Seufzer tauchte Gregor beide Hände ins Wasser.
    Fasziniert sah ich zu, wie das Wasser sich langsam rot färbte.
    »Würdest du mich bitte entschuldigen?« bat mich Gregor höflich. Erst jetzt merkte ich, daß sein Blick schon die ganze Zeit auf mir geruht hatte.
    »Aber natürlich«, stammelte ich verwirrt. Freilich verletzte es mich, daß er sich vor mir, seinem Freund, nicht das Gesicht und die Hände waschen wollte.
    Waren wir uns in der kurzen Zeit so fremd geworden?
    »Wir haben hier so wenig Privatsphäre«, erklärte er.

    In diesem Loch gab es keine zweite Sitzgelegenheit. Also zog ich mich zum Tisch des Wärters zurück und wartete dort. Nach einer Weile kam ich mir schon selbst eingesperrt vor und fing an, nervös zwischen dem Tisch und Gregors Zelle hin und her zu

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