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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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laufen. Aber dann fühlte ich mich wieder Brods finsterem Blick ausgesetzt, so daß ich schnell zum Wärter zurückkehrte.
    Ich wartete eine Viertelstunde, ohne daß Gregor wieder nach mir rief.
    Schließlich trat ich unaufgefordert zu ihm in die Zelle. Er saß genauso da wie vorhin, nur sah er diesmal sofort zu mir auf.
    »So fühle ich mich schon viel besser«, meinte er lächelnd.
    Irgendwie konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß er mit einem anderen sprach. Seine Miene wirkte so abwesend, und unsere frühere Vertrautheit war wie weggeblasen.
    »Sie halten mich für einen Vampir, weißt du?«
    »Vollkommener Unsinn!«
    »Aber die Wahrheit ist viel schlimmer. Sie kennen sie nur noch nicht.«
    »Sie werden sie schon noch erfahren, das schwöre ich dir.«
    »Werden sie dir glauben?«
    Darauf fiel mir keine Antwort mehr ein. Gregor sah zu dem winzigen Fenster hinauf, und mir kam es so vor, als lächelte er in sich hinein.
    »Ich habe sie heute morgen gehört«, sagte er leise.
    »Wen?« fragte ich. Langsam fürchtete ich um seinen Verstand.
    »Die Meute draußen. Sie verlangen den Vampir. Ich glaube, sie wollen mich verbrennen.«
    »Soviel ich weiß, rammt man Vampiren einen Pfahl in die Brust«, korrigierte ich ihn, und er dankte es mir mit einem schiefen Lächeln. Kurzzeitig war er wieder ganz der alte. Das machte mir Mut. Ich wollte ihn spontan umarmen, doch erhob abwehrend beide Hände.
    »Ich habe dich gesehen.«
    Ich wich zurück. »Ja, natürlich.«
    »Erst als die Chorprobe vorbei war, dämmerte mir, daß du hinten in der Kirche gestanden hattest.«
    »Ja.«
    »Warum bist du gekommen?«
    »Um dich zu sehen. Ich wollte dich um Hilfe bitten. Ich wollte beichten, wollte mit allem... aufhören.«
    »Als mir klar wurde, daß du es warst, bin ich dir gefolgt. Und dann habe ich dich gesehen. Aber du bist in einer Seitengasse verschwunden. Und ich bin in die falsche Straße abgebogen und habe dich aus den Augen verloren. Ich habe drei oder vier verschiedene Straßen abgesucht – jedesmal ohne Erfolg.«
    »Ich wünschte, du hättest mich gefunden. Glaubst du mir das? Ich wünschte, du hättest mich rechtzeitig eingeholt.«
    »Im Fleisch ist es anders. Sünde ist kein abstrakter Begriff.« Er sah mich mitleidig an.
    »Du sollst wissen, daß ich Kraus alles gesagt habe.«
    »Und?«

    »Er hat mir nicht geglaubt.«
    »Aber du hast es ihm gesagt?« Er lachte, ununterbrochen den Kopf schüttelnd, in sich hinein.
    »Und ich werde es ihm wieder sagen«, erklärte ich. »Das wäre doch gelacht, wenn ich es ihm nicht beweisen könnte.«
    Das erheiterte Gregor nur noch mehr. »Ach ja?«
    »Das finde ich überhaupt nicht komisch«, protestierte ich, aber er achtete nicht mehr auf mich.
    Er wollte noch etwas sagen, brachte aber vor Lachen kein Wort heraus.
    Endlich beruhigte er sich wieder. »Ich muß Gottes Narr sein«, stöhnte er.
    »Nein, das darfst du nicht glauben!«
    Es hatte keinen Sinn. Gregor schüttelte sich schon wieder vor Lachen.

    Bei meiner Ankunft hatte die Menge vor der Polizeiwache noch aus Müßiggängern und Schwätzern bestanden, aber als ich das Gebäude wieder verließ, war sie beträchtlich angeschwollen und wirkte entschlossener, aggressiver. Vereinzelt ertönten Rufe wie: »Wir wollen Brod! Laßt Brod frei!«
    Aus einer anderen Ecke hörte ich die Forderung: »Verbrennt den Priester!« Die Rufe erstarben allesamt schnell, als klar wurde, daß ich etwas sagen wollte.
    »Gute Leute, hier liegt ein schrecklicher Irrtum vor!« fing ich an. Zu meiner Überraschung wurde das mit Beifall begrüßt, und wieder wurde Brods Freilassung gefordert. Ich begriff, daß sie meine Worte falsch verstanden hatten.
    Kraus erschien nun neben mir. »Wir werden die Beschuldigungen gegen Ihren Diener fallenlassen, Graf. Das können Sie ihnen ankündigen.«
    »Aber er hat einen Ihrer Beamten fast erstochen«, protestierte ich.
    »Das spielt jetzt keine Rolle mehr. Wir sind mitten in der Nacht über ihn hergefallen. Was hätte der Bursche da anderes tun sollen? Sagen Sie es ihnen, Graf. Das wird sie von Pater Gregor ablenken.«
    »Hört her!« schrie ich. Tatsächlich verstummte die Menge. »Wir haben den Mörder noch nicht!« Hier und da ertönte ein mißbilligendes Gemurmel, aber niemand wagte, mir offen zu widersprechen. »Ich bin überzeugt, daß weder Pater Gregor...« Wieder schwollen die Proteste an. Ich verschaffte mir mit erhobener Hand noch einmal Aufmerksamkeit. »Daß weder Pater Gregor noch Brod des

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