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Das geheime Prinzip der Liebe

Das geheime Prinzip der Liebe

Titel: Das geheime Prinzip der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hélène Grémillon
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die Wohnung links, wie mir der Zeitungsjunge gesagt hatte. Während ich das Blatt unter die Tür schob, betete ich, dass der Junge nicht zu denen gehörte, die rechts und links verwechseln. Mein Plan hing am seidenen Faden. Wie alle Pläne.
    Ich nahm ein Taxi. Ich hatte kaum Zeit, zu Hause vorbeizugehen. Wir waren in einer halben Stunde im Park verabredet, aber sie wusste es noch nicht. Diesmal war es eine echte Verabredung.
    »Zeig Papa deine neue Ente, mein Schatz.«
    »Nein.«
    »Doch. Papa kann nämlich Enten sprechen lassen.«
    »Nein, kann er nicht. Er spricht ja selber nicht.«
    Zu Hause wechselte ich die Bluse und setzte einen schwarzen Hut auf. Paul arbeitete in seinem Zimmer, ich setzte Camille mit ihrer Ente auf das Kanapee vor ihn.
    »Ich werde zum Mittagessen nicht da sein. Ich gehe zum Friedhof. Camille kann ich nicht mitnehmen, das ist kein Ort für sie.«
    »Warum musst du ausgerechnet jetzt zum Friedhof gehen? Hat das nicht Zeit?«
    »Nein, das hat keine Zeit.«
    »Was soll ich denn mit ihr machen? Sie wird weinen.«
    »Wenn du nicht deine Zeitung weglegst, um mit ihr zu spielen, bestimmt.«

    In dem Moment unterbrach Camille unser Gespräch. »Maman Zeitung schneiden.«
    Mir war nicht ganz wohl.
    »Papa kann auch die Zeitung zerschneiden, willst du?«
    »Nein.«
    Ich ließ sie zu zweit zurück, die eine brüllend, den anderen stumm und ratlos. »Maman Zeitung schneiden«, zum Glück fehlten ihr noch ein paar Worte, um mich zu verraten. Die Zeitspanne, in der man alles vor Kindern verheimlichen kann, ist kurz.
    Auch das noch! Ich hatte mein Taschentuch vergessen.
    Ich setzte mich auf eine Bank und wartete auf Annie. Ich war sicher, sie würde kommen und mich ansprechen, blass und besorgt, mich allein zu sehen und ganz in Schwarz gekleidet.
    Alles verlief nach Plan.
    Sie kam auf mich zugerannt, konnte kaum sprechen. »Wo ist sie? Wo ist Louise?«
    Ich schaute sie an. Würde ich es fertig bringen?
    Ich habe es fertig gebracht, kalt und mechanisch, als wäre ich nicht ich selbst.
    »Gestern Abend habe ich sie in Pauls Büro allein gelassen, nicht lange, ich wollte ihr nur eine Jacke holen ...«
    »Wo ist sie?«
    »Ich fand, dass ihre Hände kalt waren, Kinderhände werden in dem Alter schnell kalt, sogar sehr kalt. Als ich wieder runterkam, habe ich sie gerufen, aber sie hat nicht geantwortet. Ich war nicht wirklich beunruhigt, das passiert mit Kindern öfter, sie antworten nicht immer, wenn sie einen hören, das ist mit Erwachsenen übrigens ähnlich ...«
    »Hören Sie auf, sagen Sie mir, wo Louise ist!«
    »Sie lag auf dem Fußboden, neben sich die kleine Derringer.
Sie muss sie zum Spielen von der Wand genommen haben. Das Blut lief aus ihrem Bauch ... Sie ist tot, Annie, Louise ist tot. Sie muss auf den Abzug gedrückt haben und hat die Kugel in den Bauch bekommen. Ich verstehe nicht, wie das möglich ist ... Keine Waffe aus der Sammlung war jemals geladen, keine.«
    Als ich das sagte, richtete ich die Augen auf Annie und sah, dass sie Angst hatte zu begreifen. Ihr Gesicht spiegelte meine Lüge wider, alles Blut war daraus gewichen. Ich weiß nicht, wie viele endlose Sekunden sie erstarrt vor mir stand. Dann brüllte sie, das Brüllen eines tödlich verwundeten Tieres, und rannte davon.
    Ich hatte keine Angst, Camille Unglück zu bringen, war es doch Louise, die gestorben war.

    Das Weitere kann ich mir nur vorstellen, aber es muss ungefähr so abgelaufen sein, wie ich es geplant hatte.
    Sie kehrt nach Hause zurück. Mancher Kummer löst sich auf der Straße oder im nächsten Lokal auf, nicht aber der um ein totes Kind. Sich aufs Bett werfen, auf den Fußboden, sich in eine Ecke kauern, auf jeden Fall nach Hause gehen, in irgendein Zuhause, selbst wenn es nicht das eigene ist.
    Rue de Turenne 17. Vierte Etage links.
    Beim Überschreiten der Schwelle tritt sie auf ein Blatt Papier. Unwillkürlich senkt sie den Blick, unwillkürlich liest sie. Ich hatte das Blatt nicht in einen Umschlag gesteckt, sie hätte nicht die Kraft gehabt, ihn zu öffnen. Ich hatte es auch nicht gefaltet, sie hätte nicht die Kraft gehabt, es auseinanderzufalten.
    Ich hatte ihr keine andere Wahl gelassen, als die aufgeklebten Buchstaben zu lesen.

    HEIMLICHKEITEN SIND NICHT SCHÖN WER SAGT IHREM LIEBSTEN DASS ER MIT EINER HURE SCHLÄFT
    Ich war mir sicher, dass sie es Louis nicht gestanden hatte. Die ganze Wahrheit sagt man nur, wenn man sicher ist, dass die Menschen nie mehr wiederkommen, ihn aber wollte sie nicht

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