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Das Geheimnis der 100 Pforten

Das Geheimnis der 100 Pforten

Titel: Das Geheimnis der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N D Wilson Dorothee Haentjes
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gewesen sein könnte.«
    Das Geräusch berstenden Holzes hallte durch den Saal, gefolgt vom Poltern, mit dem es in das untere Stockwerk fiel.

    »Ist dir was passiert?«, fragte Henry. »Sei bloß vorsichtig!«
    »Alles klar«, antwortete Henrietta. »War aber trotzdem ganz schön knapp. Du hattest recht. Es war kein Traum. Da war dieser kleine Mann in Großvaters Zimmer. Ich bin ihm gefolgt. Falls es etwas nützt: Ich bin froh, dass du gekommen bist. Hier wurde es allmählich etwas unheimlich. Eli sagt, hier ist alles in einer Nacht zerstört worden; das ist die Nacht, die du von der Innenseite des Fachs aus sehen kannst. Und jetzt spukt es hier.«
    »Wer sagt das?«
    »Eli. Der kleine Mann. Du hast mir wohl nicht zugehört? Er sagt, wenn es dunkel ist, wird es hier unheimlich.«
    Henry sah zu den schwarzen Umrissen der Fenster. »Er hat recht.«
    »Ich stelle mich jetzt hin«, sagte Henrietta. »Kannst du mich sehen?«
    »Nein.«
    Mit einem Mal durchzuckte ein Lichtstrahl den Saal. Henry schrie vor Schmerz auf und fiel zur Seite.
    »Ist was?«, fragte Henrietta. »Oh, hoppla. Ich glaube, ich muss wieder auf die Knie gehen.«
    Henry rappelte sich auf und bedeckte die Augen mit der Hand. Die drei riesigen Kronleuchter, die er bei dem Ball hatte leuchten sehen, hingen in vollem Licht
von der Decke herab. Der Saal selbst aber war immer noch komplett verwüstet. Für zwei der drei Kronleuchter gab es nicht mal mehr eine Decke, die sie hielt.
    Henrietta hatte den Raum auf allen vieren so gut wie durchquert. Sie streckte eine Hand aus und tastete den Boden nach Löchern ab. Dann rutschte sie vorsichtig ein Stück vor und wiederholte die Prozedur.
    »Henrietta?«, fragte Henry.
    »Ja.«
    »Kannst du etwas sehen?«
    Sie lachte. »Ich dachte, meine Augen würden sich daran gewöhnen. Haben sie aber nicht getan. Es ist wirklich stockfinster.«
    »Ich kann dich sehen«, sagte Henry. »Ich kann überhaupt alles sehen. Die Kerzen auf den großen Kronleuchtern sind angezündet.«
    Henrietta hielt inne. Sie war vielleicht zwanzig Meter von Henry entfernt. Ihre Augen waren weit geöffnet und sie wandte ihren Kopf und sah sich orientierungslos um.
    »Ich komme dich holen«, sagte Henry. Er stand auf und sah sich den Boden an. Die größeren Löcher lagen allesamt in der Mitte des Raumes. Aber die Strecke zwischen ihm und der Stelle, wo Henrietta auf allen vieren kroch, war nur von kleineren Löchern und Spalten übersät.

    Henry umging das zersplitterte und morsche Holz vorsichtig und versuchte, sich über Balken und Stützen zu bewegen. Henrietta kroch ebenfalls weiter.
    »Bleib, wo du bist!«, rief Henry. »Warte einfach auf mich. Ich bin schon halb bei dir.«
    Als er nur noch zwei Meter von ihr entfernt war, machte er einen Schritt über das letzte Loch hinweg und berührte sie am Rücken. Sie stand auf und tastete blind nach seinen Händen.
    »So, jetzt kann ich dich auch halbwegs erkennen«, sagte sie. »Zumindest deine Umrisse.«
    Henry sah sich um, denn er suchte nach einem einfacheren Weg zurück. Dann hörte er etwas, ein paar Töne wie von einer Geige. Ein Lachen. Hinter ihm raschelte etwas.
    Henry fuhr herum und hätte dabei Henrietta fast umgerissen. Er konnte gerade noch eine dunkelhaarige Frau erkennen, kleiner als er selbst und in einem leuchtend orangefarbenen Gewand. Sie wirbelte mit ausgestreckten Armen an ihm vorbei, als umarmte sie einen unsichtbaren Partner. Ihre Augen waren geschlossen und sie lachte.
    Immer mehr Leute tauchten auf, die meisten tanzten allein, einige aber auch zu Paaren. Die Musik erklang nur hier und da in kurzen Phrasen. Doch die Leute tanzten trotzdem und erfüllten die Stille des Saals mit dem Rascheln ihrer Kleider.

    »Ist da was?«, fragte Henrietta. »Ich habe das Gefühl, ich habe etwas gehört.«
    »Da tanzen Leute«, flüsterte Henry. Er schauderte. »Komm. Ich will hier weg.«
    »Sie tun mir leid«, sagte Henrietta.
    Henry versuchte, die Tänzer und gleichzeitig den Boden im Auge zu behalten. Ein oder zwei Mal stießen sie mit einem zusammen. Henry hatte eigentlich erwartet, geradewegs durch sie hindurchtreten zu können, aber so war es nicht. Er fühlte den Zusammenstoß, wenn auch nur leicht, und der Tänzer oder das Tanzpaar drehte sich wieder weiter. Jemand sagte sogar »Pardon«.
    All das sah Henrietta nicht. Sie klammerte sich an Henrys Arm und setzte ihre Füße ängstlich auf die Stellen, die nach Henrys Auskunft trugen. Als nur noch ein Drittel des Weges bis zum

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