Das Geheimnis der 100 Pforten
Ort.«
»Komm schon«, drängte Anastasia. »Wir sind doch gleich wieder zurück.«
»Mom?«, rief Penelope. »Wir gehen auf den Dachboden, sind aber gleich wieder da.«
Anastasia stand schon am Kopf der Treppe. Nimiane wartete ab, dass Penelope vor ihr hinaufging. Als Nimiane die Treppe betrat, hielt sie die Katze möglichst in Bodennähe, und ihre Schritte waren unsicher.
Auf dem Dachboden öffnete Anastasia die Doppeltür
und trat in Henrys Zimmer. »Oh, Richard! Den hatte ich ja ganz vergessen«, sagte sie. »Er schläft noch immer.«
Die Hexe folgte ihr ins Zimmer.
»Wer ist Richard?« Penelope war zurückgeblieben, aber jetzt sah sie Richards Gesicht. Es war grau. Auf seiner Stirn prangte ein violetter Fleck. »Er sieht nicht aus, als ob er schläft«, stellte sie fest. »Fehlt ihm etwas?« Sie drückte sich am Gewand der Frau vorbei und legte ihre Hand auf seine Wange. »Er ist eiskalt.«
»Er schläft eben tief«, sagte die Frau.
Penelope legte ihre Finger an Richards Hals. »Sein Puls ist nur noch ganz schwach.«
Nimiane hob den Kopf und schnüffelte. »Sind dies alle Pforten?«
»Was ist denn los mit Richard?«, fragte Anastasia.
Die Frau fuhr heftig zu ihr herum, fasste sich dann aber und lächelte. Sie streckte ihren schlanken Arm aus und berührte Richard.
»Da!«, sagte Penelope. »Jetzt schlägt sein Herz schneller!«
Nimiane wandte sich wieder den Fächern zu. »Diese … Fächer … Wie benutzt man sie?«
»Ich habe gedacht, Sie kommen selbst aus einem?«, entgegnete Anastasia.
»Ja«, sagte die Frau. »Ich habe den Zugang gefunden. Es war sehr eng, aber ich habe mich in die Dunkelheit
begeben, um die Ältesten zu befragen. Und es war mein eigener Vater, der mir erklärt hat, wie man die engen Wege beschreitet. Auf diese Weise bin ich gekommen und auf diese Weise werde ich wieder gehen. Aber der junge Henry muss einen anderen Weg genommen haben. Über solche Magie verfügt er nicht.«
»Wir wissen nicht, wie es funktioniert«, sagte Penelope. »Wir haben es nie ausprobiert. Mom hat uns nur gesagt, dass Henry und Henrietta irgendwo da drin stecken.«
»Ich glaube, man muss an den Knöpfen des mittleren Fachs drehen«, meinte Anastasia.
Hinter dem Rücken der Hexe runzelte Penelope energisch die Stirn und schüttelte den Kopf. Anastasia sprach nicht weiter. Penelope wich langsam zur Tür zurück.
»Und weiter?«, fragte die Hexe.
»Das ist schon alles«, sagte Anastasia. »Ich meine, man muss die mittleren Knöpfe drehen.«
Nimiane packte die Katze auf ihrem Arm ein wenig anders, hob sie ein Stück in die Höhe, streckte dann ihre Hand aus und fuhr damit über die Pforten und Fächer.
»Kindisch«, stellte sie fest. »So plump. Bist du hinter einer dieser Türen, Bettelsohn? Das Blut Mordechais, in einem Fach versteckt?« Sie hob die Hand und sprach ein seltsames, hartes Wort aus. Sämtliche Pforten und
Fächer flogen auf und in Anastasias Ohren gab es einen dumpfen Knall.
Penelope packte Anastasias Handgelenk und zerrte sie aus dem Zimmer. Ein bisschen zu schnell erreichten sie den Kopf der Treppe und rutschten den größten Teil der Stufen auf dem Hintern hinab.
»Kinder!«, schrie Nimiane, aber sie waren schon auf dem Flur im ersten Stockwerk und liefen los. Doch die schwarze Katze war plötzlich zwischen ihnen.
»Mom!«, schrie Penelope. »Mom!«
Die Mädchen stürzten in Großvaters Zimmer. Die Katze war noch immer bei ihnen. Anastasia stieß gegen das Bett und Penelope stürzte.
Blake erhob sich von seinem Platz neben Dottys Kopf. Er fauchte und knurrte die räudige Katze drohend an. Dotty lag zusammengekrümmt auf der Seite neben Frank. Ihre Haut war blass und ihre Lippen blau.
»Mom?«, hauchte Anastasia. »Penelope! Sind sie tot?«
Die schwarze Katze zog sich auf den Flur zurück. Blake folgte ihr. Penelope krabbelte zu ihren Eltern. Sie antwortete nicht. Auf der Dachbodentreppe hörten die beiden Schwestern Schritte.
Anastasia rannte zur Tür. »Penelope, sie kommt!«
»Mach zu!«, sagte Penelope, aber Anastasia hörte nicht. »Mach die Tür zu!«, sagte sie noch einmal.
»Blake! Komm hierher!« Anastasia rannte hinaus und
packte Blake am Nackenfell. Dann lief sie zurück ins Zimmer und warf die Tür hinter sich zu. Sie steckte ihren Finger in das Loch der Klinke und zog. Die Tür war geschlossen.
Penelope legte ihre Finger an den Hals ihrer Mutter. Einen Augenblick später machte sie dasselbe bei ihrem Vater. »Sie leben«, stellte sie fest. »Hörst du
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