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Das Geheimnis der Äbtissin

Das Geheimnis der Äbtissin

Titel: Das Geheimnis der Äbtissin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marie Jakob
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Ludwig ihm entgegen. Dann blies er mit der ganzen Kraft seiner Kinderlunge in das Horn. Zweimal kurz, einmal lang. Aus dem Wald kam prompt das vereinbarte Signal zurück. Noch bevor Eckardt an den Zinnen war, rannte Ludwig die Treppen bereits wieder hinab. »Sie kommen!«, rief er in die Stube der Wachleute, die sich auf halber Höhe im Turm befand. Die Männer hatten das Horn gehört und griffen nach ihren Gürteln. Die mageren Kinderbeine hasteten weiter. Er wollte der Erste sein, wollte am Tor stehen, wenn der schwere Hauptriegel zurückgelegt wurde. Inzwischen hörte er die Signale auch von den anderen beiden Türmen. Schneller, immer schneller ging es die ausgetretenen Stufen hinunter.
    Auf dem Hof sammelte sich das Gesinde, Knechte und Mägde liefen nach vorn zur Zugbrücke. Quer über den Hof der Kernburg entstand ein Spalier aus Menschenleibern mit neugierig gereckten Hälsen. Endlich öffnete sich das Tor zur Vorburg, und mit freudigen Zurufen wurden die ersten Reiter begrüßt. Die Soldaten der Vorhut trugen das goldene Banner des Kaisers, auf dem ein schwarzer Adler seine Krallen ausstreckte. Daneben, noch vor dem roten Löwen des Grafen von Lare, flatterte eine unbekannte Fahne im stärker werdenden Wind, die mit Gemurmel und Stirnrunzeln wahrgenommen wurde.
    »Was für ein Wappen trägst du?«, rief ein vorlauter Stallknecht dem Reiter zu.
    »Das der Prinzessin von Burgund!«, antwortete der Mann knapp über die Schulter hinweg und war schon vorbei.
    Die Wagen mit dem Gepäck und der Kriegsbeute blieben bereits auf der Vorburg zurück und wurden dort entladen. Die Waffenknechte des Kaisers saßen vor dem Palas ab und übergaben ihre erschöpften Pferde den Stallknechten. Auch die Trossknechte hatten alle Hände voll zu tun. Die wenigen Wagen, die bis in die Kernburg gerollt waren, mussten schleunigst aus dem Weg, um keinen Rückstau zu schaffen. Der Trossführer ritt zwischen Rössern und Wagen umher und kommandierte laut.
    All das interessierte die Menschen vor dem Palas nicht, sie starrten erwartungsvoll auf das innere Tor vor der Zugbrücke, das einen Reiter nach dem anderen ausspuckte. Zwischen zwei dunklen Wolken brach wie auf Bestellung noch einmal die Sonne hervor, und im selben Moment wurde der Jubel lauter. Der große Fuchshengst Graf Ludwigs polterte wiehernd über die Eichenbohlen der Brücke. Der Graf lachte über sein ganzes breites Gesicht und winkte seinen Leuten gutmütig zu. An seiner Seite ritt der Kaiser. Dessen prächtiger blauer Umhang, verbrämt mit edelsteinbesetzten Streifen, leuchtete trotz der feinen Staubschicht, die ihn bedeckte. Das kräftige weiße Pferd unter ihm bildete einen perfekten Kontrast. Friedrich trug seinen Helm unter dem Arm, sein blondes Haar kräuselte sich auf der Stirn. Der scharfe Blick aus hellen Augen schien alles auf einmal zu sehen, auf seinem jungenhaften Gesicht lag ein zufriedenes Lächeln. Vor der Treppe am Palas wendeten die beiden Männer ihre Rösser und blickten über den Hof, wo es im späten Sonnenlicht allmählich eng wurde.
    Im selben Moment trat Katharina aus der Tür hinter ihnen. Sie hatte den zappelnden Beringar auf dem Arm.
    Isabella hielt die junge Hündin fest am Halsband. »Platz, Sida!«
    Judith spähte an ihrer Seite vorbei. Ohne auf den hohen Besuch zu achten, schweiften ihre Blicke über den Burghof. »Ludwig?«, rief sie, doch ihre Stimme verlor sich im Jubel der Burgbewohner.
    Eine Fanfare schmetterte, und langsam kehrte Stille ein, nur das Schnauben der Tiere und das Klirren der Steigbügel waren noch zu hören. Gerade als der Kaiser die Hand hob, kam unter den Leuten, die am Bergfried standen, erschrockenes Gemurmel auf. Einzelne Rufe wurden laut. »Herr, erbarme dich!«
    Graf Ludwig riss sein Pferd herum und sah, wie sich vom Bergfried her eine Gasse in den dichtgedrängt stehenden Menschen bildete. Der alte Eckardt stolperte auf ihn zu. Er trug einen Jungen auf seinen Armen – Ludwig.
    Über das Gesicht des Mannes liefen Tränen. »Herr, vergebt mir! Eine schlechtere Begrüßung als diese kann ich mir nicht denken. Er hatte sich so auf Euch gefreut! Wollte der Erste sein im Burghof. Der letzte Treppenabsatz …« Verzweifelt neigte der Vogt den Kopf. »Ich war hinter ihm, aber so schnell bin ich nicht mehr.«
    Der Graf war vom Pferd gesprungen. »Was ist mit ihm? Lebt er?« Hilflos zupfte er am Arm des Kindes.
    »Ja, Herr, aber sein Bein …«
    Die Blicke der Umstehenden hingen längst an Ludwigs Unterschenkel, wo aus

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