Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
von den hier ansässigen Schlüsselmachern hatte. Die ersten Handwerker öffneten bereits ihre Läden und trugen in aller Ruhe ihre Waren nach draußen. Die Ärmsten der Armen, die hier im Schutz der Bogengänge geschlafen hatten, standen eilig auf, ehe jemand kommen und sie verscheuchen konnte. Guido jagte mit einem Fußtritt einen Jungen fort, der ihn an einem Ärmel gepackt und um ein Almosen gebettelt hatte, dann verbarg er sich schnell hinter einer Säule. Bestimmt hatte Mondino den unterdrückten Schrei des Bettlers nicht gehört, und wenn doch, hatte er es gewiss für einen Streit unter Obdachlosen gehalten.
Guido verließ sein Versteck erst wieder, als die beiden schon um die Ecke gebogen waren, und eilte ihnen hastig nach. Sie gingen nach Süden, in Richtung San Niccolò delle Vigne, wo sich die Basilika San Domenico erhob. Dann wandten sie sich nach Osten, überquerten den Savena und bogen in das Viertel der Papiermacher ein. Dort trugen die Geschäftsleute bereits große Packen Hadernpapier heraus, das sie als Notizpapier an Studenten und Notare verkaufen wollten, außerdem einige Stapel mit Pergamentblättern, die nach dem Grad ihrer Qualität und der Helligkeit unterschieden wurden. Die Stapel beschwerten sie mit großen Flusskieseln, damit der Wind die Blätter nicht fortwehte.
Das war nun wirklich der ungünstigste Zeitpunkt für eine Verfolgung, dachte Guido zornig. Es war nicht mehr Nacht, andererseits waren aber auch noch nicht genügend Leute unterwegs, dass er in der Menge untertauchen konnte. Ganz im Gegenteil würde den wenigen Menschen, die um diese Tageszeit
schon unterwegs waren, ein Mann auffallen, der hastig von einer Säule zur nächsten schlüpfte. Und genau diese Leute konnten ihm Schwierigkeiten bereiten. Er beschloss daher, seine Taktik zu ändern, und lief jetzt entspannt vorwärts, blieb ab und zu an einer Ladentheke stehen, wechselte hin und wieder ein Wort mit einem Handwerker oder Händler und kehrte Mondino dabei so oft wie möglich den Rücken zu.
Schließlich blieben die beiden vor dem bescheidenen, aber recht gepflegten Haus eines Kleinhändlers oder tüchtigen Handwerkers stehen. Der jüngere Mann öffnete die Tür mit einem großen Schlüssel, den er aus einer Tasche seines Gewandes gezogen hatte; dann traten sie ein.
Guido bemerkte schnell, dass alle Läden geschlossen waren, daher brauchte er gar nicht erst zu versuchen, durch die bespannten Fenster zu spähen. Er fand einen geschützten Platz, von dem aus er den Eingang beobachten konnte, und richtete sich auf eine längere Wartezeit ein. Sobald sie ein Fenster öffneten, würde er näher kommen, um die beiden Männer zu belauschen, doch sonst war es sinnlos, ein solches Risiko einzugehen.
Das Haus lag völlig im Dunkeln. Mondino wartete im Eingang, bis Gerardo eine Kerze in einem Halter aus Ton angezündet hatte, ehe er weiterging. Im flackernden Licht des Dochts sah er, dass in der Küche ein heilloses Durcheinander herrschte: Jeder einzelne Gegenstand - Teller, Krüge, Pfannen, Töpfe, Stühle, Lumpen zum Abtrocknen - war nicht an seinem Platz. Es sah beinahe so aus, als hätte sich jemand einen Spaß erlaubt und alles ausgeräumt, ohne die Gegenstände zu benutzen.
Gerardo stellte die Kerze auf den Kaminsims.
»Das war ich«, sagte er, als er den verwirrten Blick Mondinos bemerkte. »Nachdem ich den Kommandanten ins Bett
gebracht habe, habe ich etwas zu essen gesucht, aber ich habe nicht einmal einen Kanten trockenes Brot gefunden. Ach, übrigens, hier gibt es keine Diener, wir können frei reden.«
Mondino nickte. »Bring mich zu ihm. Ist er im Schlafzimmer?«
»Ja. Aber erst müssen wir unser Gespräch zu Ende führen.«
»Welches Gespräch?«
In Wirklichkeit wusste er nur zu gut, worauf Gerardo sich bezog. Auf dem Weg hierher hatte er ihn über seine Unterredung mit dem Inquisitor unterrichtet und ihm genau erklärt, was das für ihn bedeutete.
»Magister«, sagte Gerardo ernst. »Das könnt Ihr mir nicht antun.«
Mondino fühlte, wie blinde Wut in ihm aufstieg. »Was kann ich dir nicht antun? Wer hat denn in der Nacht mit einer Leiche im Arm an meine Tür geklopft? Nur deinetwegen bin ich überhaupt in diese Lage geraten. Außerdem rede ich ja gar nicht davon, dich in den Tod zu schicken. Sollte ich gezwungen sein, dich anzuzeigen, werde ich dich vorher warnen, damit dir genügend Zeit zur Flucht bleibt. Im Grunde ändert sich für dich dadurch nichts. Denn es wird jetzt schon nach dir
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