Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
gesucht.«
Gerardo stand neben dem Eichentisch, auf dem eine große kupferne Abwaschschüssel thronte, umgeben von einem Gefolge aus Tellern und anderem Geschirr. Bei Mondinos Worten packte er eine Schöpfkelle aus Holz und schwang sie wie eine Waffe. Einen Moment lang fürchtete Mondino, dass er ihn angreifen wollte, aber der junge Mann schlug sie nur heftig in die eigene Handfläche, während er sprach.
»Ich werde als Tempelritter und wegen Brandstiftung gesucht«, sagte er. »Das mit dem Brand ist schwer zu beweisen, und wenn der Prozess mit einem Freispruch für den Orden endet, könnte ich in weniger als einem Monat schon wieder
ein freier Mann sein. Nach Eurer Aussage bin ich dagegen ein flüchtiger Mörder. Ich werde weder Land noch Freunde besitzen, in die weite Ferne ziehen, einen anderen Namen annehmen und mir ein ganz neues Leben aufbauen müssen.«
»Das hättest du dir überlegen müssen, bevor du mich da mit hineingezogen hast.«
»Das dürft Ihr nicht sagen!«, sagte Gerardo erregt und schlug mit der Kelle auf einen Zinnteller. Ein durchdringendes Geräusch von Metall auf Metall dröhnte in ihren Ohren. »Ihr hättet mir gleich in jener Nacht sagen müssen, dass Ihr mir nicht helfen wollt. Wenn Ihr mich jetzt anzeigt, seid Ihr genauso ein Verräter wie Hugues de Narbonne!«
Mondino sprang auf ihn zu, stieß dabei mit der umgehängten Tasche gegen das aufgetürmte Geschirr und warf dadurch zwei Holznäpfe herunter. »Wag es ja nicht, mich mit diesem mörderischen Hurensohn zu vergleichen, der imstande ist, einen armen Krüppel umzubringen, dessen einzige Schuld darin bestand, euch helfen zu wollen«, rief er und packte Gerardo bei den Falten seines Gewandes. »Du hast Recht, ich habe in jener Nacht beschlossen, dir zu helfen. Und weil ich dir helfen wollte, habe ich dieses schreckliche Weib umgebracht, ja, ich bin dir selbst jetzt gefolgt und habe meinen Vater, der im Sterben liegt, im Stich gelassen. Ich weiß genau, dass ich das nicht hätte tun müssen, und glaube mir, ich übernehme die volle Verantwortung für meinen Entschluss.«
Der Arzt starrte Gerardo in die Augen, der wortlos nickte, ohne sich gegen den Griff zu wehren. Mondino holte tief Luft und meinte: »Der Inquisitor hat sich unmissverständlich ausgedrückt: Er braucht dringend einen Schuldigen, um ihn als Druckmittel im Prozess gegen deinen Orden zu verwenden. Wenn ich dich nicht dieser Morde bezichtige, wird er sie mir anlasten. Ich habe die Totengräber bezahlt, die den Leichnam
deines Mitbruders weggebracht haben. Sie haben nur mich gesehen, nicht dich. Und ich habe als Erster die Leiche des Deutschen untersucht. Man könnte daraus schnell den Schluss ziehen, dass ich dies nur getan hätte, um die Beweise für meine Schuld verschwinden zu lassen. Wenn du aber tatsächlich annimmst, ich sei bereit, auf dem Scheiterhaufen zu brennen, nur um dir zu ersparen, dass du an einen fernen Ort fliehen und dir deinen Lebensunterhalt selbst verdienen musst, dann irrst du dich gewaltig. Und jetzt bring mich zu deinem Kommandanten.«
Gerardo legte die Schöpfkelle vorsichtig in die Kupferschüssel, nahm die Kerze vom Brett und ging wortlos voran. Sobald sie die Küche verlassen hatten, drehte er sich noch einmal um und sagte: »Versprecht mir zumindest, dass Ihr mich nur anzeigt, wenn es uns nicht gelingt, den wahren Mörder zu finden.«
Dies konnte ihm Mondino leicht zusagen. »Das verspreche ich dir. Wenn der wahre Mörder Hugues de Narbonne ist, fällt die Schuld zwar immer noch auf deinen Orden, aber wir beide wären gerettet.«
Gerardo nickte ernst. »Ich verstehe Euch, Magister«, sagte er. »Wenn man für die anderen nichts mehr tun kann, dann wäre es dumm, nicht an die eigene Rettung zu denken.«
»Also vorwärts. Vergiss nicht, dass wir nur bis morgen Abend Zeit haben.«
Im flackernden Schein der Kerzen durchquerten sie ein mit Tisch und Stühlen möbliertes kleines Arbeitszimmer. Im Haus war es absolut still, aber nicht nur in der Küche, überall in der Wohnung herrschte Unordnung.
Sie betraten einen Raum, der zum großen Teil von einem breiten, ein wenig schäbigen Himmelbett ohne Vorhänge eingenommen wurde. Gerardo stellte die Kerze auf eine Weidentruhe und ging zum Fenster, um Licht hereinzulassen. Sobald
er das Leinentuch weggezogen und den Holzladen geöffnet hatte, strömte milchiges Licht ins Zimmer.
Hugues lag mit offenen Augen auf dem Bett und starrte die beiden Männer schweigend an. Dabei verzog er keine Miene.
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