Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
lange habe ich diesen Moment herbeigesehnt, dachte er, als er die schwere Türklinke niederdrückte. Donata sprang auf und ging ihm entgegen; sie war allein.
»Sie ist fort«, sagte sie leise und konnte den Blick nicht von ihm lassen. So viele Jahre … so viele Tränen … di Nanini umfasste ihre Hand und zog sie an sich.
»Fort?«
Seine Stimme zitterte. Wieder hatte er einen Fehler begangen. Es war nicht richtig gewesen, sie zu einer Heirat mit Paolo di Cavalli zwingen zu wollen. Er würde mit dem jungen Conte sprechen. Donata schaute ihn unverwandt an.
»Sie ist in der Küche, bei Massimo, dem Koch. Sie meint, sie kann ihn unmöglich heute allein lassen. Und dass niemandem die Sahnewaffeln besser gelingen als ihr.« Sie lächelte und setzte hinzu: »Sie ist Eure Tochter, kein Zweifel – und genauso eigensinnig, wie Ihr es seid.«
Di Nanini betrachtete das Gesicht, von dem er so viele Jahre geträumt hatte. Ihm schwindelte vor aufwallender Zärtlichkeit und dem Bedürfnis, ihren Mund zu küssen. Stattdessen berührte er vorsichtig ihr schwarzes, glänzendes Haar und nickte.
Ohne ein Wort nahm die Contessa seinen Arm und folgte dem Principe in den großen Saal. Hier war bereits alles angerichtet, und der Tisch bog sich unter den vielen Köstlichkeiten, die einmal mehr so verführerisch dufteten. Gefüllten Schwan gab es, Crostini mit Milz, dazu ein Castagnaccio, auch als Kastanientorte bekannt, und gebratene Enten mit einer Soße aus gekochtem Most, der Sapa. Und das war nur der Anfang, wenn man die Wohlgerüche aus der Küche richtig deutete. Alle, die dem Fürsten zugetan waren, hatten sich an der Tafel versammelt und warteten auf einen Trinkspruch. Di Nanini hob seinen Pokal und schenkte jedem von ihnen einen innigen Blick. Er betrachtete die Contessa, die neben ihm Platz genommen hatte, und sprach, mehr zu ihr als zu den anderen:
»Alles, was gesagt werden musste, ist gesagt. Ein gnädiger Gott hat uns wieder zusammengeführt, und nichts soll uns je wieder trennen.«
Umberto erhob sich ebenfalls. Er erbot sich mit einem Blick zum Principe das Recht zu sprechen und sagte bewegt:
»Lasst uns diesen Tag feiern. Einen Tag der Wahrheit und der Vergebung. Einen Tag, der einen edlen Sohn dieser Stadt noch edler gemacht hat. Lang lebe unser Fürst!«
»Ja, wir wollen feiern«, erwiderte di Nanini und sah Umberto bedeutungsvoll an, »aber erst, wenn unsere Tafel komplett ist.«
Der neue Stadtvogt verbeugte sich und verließ die Sala, um wenige Augenblicke später zurückzukehren – mit Bella an seiner Seite. Donna Donata schenkte ihrem Stiefsohn einen zärtlichen Blick. Sie wusste, es würde dauern, bis er seinen Liebeskummer überwunden hatte. Er schüttelte traurig den Kopf. Doch dann galt die ganze Aufmerksamkeit ihrer Tochter. Ihr blauseidenes Kleid war mit Mehl bestäubt, an einigen Stellen klebte Teig. Sie servierte einen großen Teller mit Waffeln für die Gäste und lächelte. Sie sah bezaubernd aus. Bella war sich ihres ungewöhnlichen Auftritts vollkommen bewusst, aber es war ihr gleichgültig. Sie kannte die Wahrheit, wusste endlich, wer sie war und wo sie hingehörte. Und sie hatte endlich die Familie, nach der sie sich immer gesehnt hatte. Ihre zweifarbigen Augen blitzten vor Vergnügen.
»Komm zu mir, Tochter«, hörte sie den Fürsten sagen und gehorchte. Alle Blicke ruhten auf ihr.
»Deine Mutter hat dich schon um Verzeihung gebeten, und darum bitte nun auch ich. Vergib mir, Magdalena, vergib mir all die Jahre, in denen ich dir kein Vater war.«
Stumm nahm er sie in die Arme. Fabrizio drückte die Hand seiner Frau, Paolo blickte zu Donata hinüber. In Momos Augen schimmerten Tränen. Es war ein bewegender Augenblick für alle Menschen in diesem Saal. Als der Fürst sich gesammelt hatte, löste er sich von Bella.
»Einst sagte ich zu dir, Liebe sei kein gutes Pfand für eine Verbindung. Doch nun weiß ich, dass ich mich geirrt habe. Darum entlasse ich dich aus jeder Verpflichtung, die du als meine Tochter und als Tochter Sienas hast. Du bist frei, mein Kind, und du kannst tun, was dir beliebt – hier und an jedem anderen Ort auf der Welt.«
Bella legte den Kopf etwas schief. War das etwa alles? Wollte er ihrer Liebe nicht den Segen geben? Er wusste doch, was sie für den Nubier empfand. Der Principe räusperte sich.
»Ich sagte dir, du müsstest dich entscheiden zwischen deinem Fürsten und dem Mann, den du liebst. Auch das war falsch von mir.«
Sein Blick richtete sich auf Paolo.
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