Das Geheimnis der Götter
getroffen, von denen ich nichts weiß. Kein Mensch ahnt, welche Kräfte Ihr in Bewegung setzt, wenn Ihr dieses Heiligtum entweihen wollt.«
»Was den ersten Punkt anbelangt, so erwarte ich von dir genaueste Angaben. Das andere braucht dich nicht zu bekümmern.«
»Aber Herr, Osiris ist so mächtig, dass…«
»Hast du noch immer nicht verstanden, dass Iker und Osiris für alle Zeit verschwinden werden?«
2
Isis war die erste Frau, der Iker sein Herz geschenkt hatte, und es würde keine andere geben. Auch für Isis war und blieb Iker der erste und einzige Mann. In ihrer ersten Liebesnacht besiegelten sie ein ewiges Bündnis, das weit über körperliche Begierde und Leidenschaft hinausging. Eine höhere Macht hatte ihre Zukunft zu einem gemeinsamen Schicksal gemacht. Womit hatte er so viel Glück verdient? Er durfte mit Isis in Abydos leben… Das konnte nur ein Traum sein, der gleich zerplatzen würde! Deshalb öffnete Iker in Erwartung einer schrecklichen Enttäuschung ganz vorsichtig die Augen. Sie war da, neben ihm. Mit ihren geheimnisvollen grünen Augen sah sie ihn an. Zärtlich liebkoste er ihre himmlisch sanfte Haut und bedeckte ihr unvergleichlich schönes Gesicht mit Küssen.
»Du bist also doch da… Bist du es auch wirklich?«
Der Kuss, den sie ihm zur Antwort gab, hatte nichts Unwirkliches.
»Sind wir wirklich bei dir in Abydos?«
»Bei uns«, berichtigte sie. »Wir wohnen zusammen, weil wir jetzt verheiratet sind.«
Iker fuhr hoch.
»Es steht mir nicht zu, die Tochter von Pharao Sesostris zu heiraten!«
»Wer sollte dir das verbieten?«
»Vernunft, Anstand…«
Ihr Lächeln hinderte ihn daran, nach weiteren Gründen zu suchen.
»Ich bin ein Nichts, ein Niemand…«
»Bitte keine falsche Bescheidenheit, Iker. Du bist Königlicher Sohn und Einziger Freund, und du hast einen Auftrag zu erfüllen.«
Er stand auf, lief durch das Zimmer, berührte das Bett, die Wände, die Truhen, dann nahm er Isis in die Arme.
»So viel Glück… Ich wünschte, dieser Augenblick würde ewig dauern!«
»Er hört nie mehr auf«, versprach sie ihm. »Doch auf uns warten dringende Aufgaben.«
»Ohne dich wird mir nichts gelingen.«
Zärtlich nahm Isis seine Hand.
»Bin ich etwa nicht deine Frau? Wenn wir auch fern voneinander sein sollten, so wirst du doch meine Gegenwart spüren, und meine Gedanken gehören dir allein. Wir sind für immer eins. Nicht einmal ein Windhauch kann sich jetzt noch zwischen uns schieben. Und unsere Liebe wird uns über die Grenzen unseres irdischen Daseins führen.«
»Werde ich mich deiner wirklich als würdig erweisen?«
»In guten und in schlechten Zeiten sind wir eins, Iker. Und kein Tod wird uns trennen.«
Auf dem Weg zum Baum des Lebens teilte Isis Iker mit, dass Sesostris sie damit beauftragt hatte, ihm jedes verdächtige Verhalten von ständigen oder zeitweiligen Priestern und Bewohnern in Abydos zu melden. Doch ihre rituellen Pflichten und ihr Weg zur Initiation ließen ihr wenig Gelegenheit zur Beobachtung, und die Priesterin äußerte keinen Verdacht. Trotzdem durften die Befürchtungen des Pharaos nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Ahnte er etwa, entgegen allem Anschein, einen Verrat mitten im Herzen der geheimsten Gemeinschaft von ganz Ägypten?
»Wie soll denn jemand, der in die Geheimnisse von Abydos eingeweiht ist, ein Kind der Finsternis werden?«, fragte Iker verwundert.
»Diese Frage habe ich mir schon hundertmal gestellt«, gestand Isis. »Doch der Weg des Feuers hat meine Gutgläubigkeit vernichtet. Großartige Rituale müssen nicht zwangsläufig untadelige Wesen hervorbringen.«
»Glaubst du wirklich, einer der Ritualisten ist scheinheilig genug, so ein falsches Spiel zu spielen?«
»Legt dein Auftrag etwa nicht eine derartige Vermutung nahe?«
Das Paar blieb in einiger Entfernung von der Akazie stehen. Dann bat die Priesterin die vier jungen Bäume und die vier Löwen-Wächter, ihnen den Weg freizugeben.
Und sofort nahm Iker einen seltsamen Duft wahr – süß und tröstlich. Isis bedeutete ihm weiterzugehen.
Der Kahle begoss den mit Gold bedeckten Stamm des Lebensbaums mit Wasser.
»Du bist spät dran, Isis. Nimm die Schale mit Milch und erfülle deine Pflicht.«
Die junge Frau tat wie ihr geheißen.
»Welche Zufälle auch immer deinen Lebensweg kreuzen mögen, das Ritual steht immer an erster Stelle«, ergänzte der Oberpriester grimmig.
»Ich bin kein Zufall, sondern der Ehemann von Isis«, wandte Iker
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