Das Geheimnis der Mangrovenbucht
abend zurück?«
»Ich nehme es an, vorausgesetzt, daß sein Wagen in Ordnung ist. Da kommt er gerade. Gehen Sie in die Lounge, Miss; ich werde inzwischen die Lage auskundschaften.«
Pauline betrat das düstere Zimmer, über dessen Tür die Aufschrift >Lounge< stand. Es war jedoch unmöglich, das auf dem Gang stattfindende Gespräch zu überhören.
»Hör zu, Bob, hier ist ein Mädchen, das zu David Marshalls Hütte möchte. Sie ist seine Schwester, sagt sie. Will heute abend noch bei dem Schuppen sein. Kannst du sie mitnehmen?«
Darauf eine knurrende Antwort: »Weiß ich noch nicht. Wie will sie denn durch die Bucht?«
»Ich habe gedacht, daß sie vielleicht bei dir bleiben könnte, bis die Flut nachläßt. Scheint ein nettes Mädchen zu sein, und immerhin ist es ziemlich schwierig, dorthin zu gelangen.«
»Es ist schon längst finster, bevor sie die Bucht durchqueren kann; außerdem denke ich gar nicht daran, ihr den Weg zu zeigen. Bin den ganzen Tag hier herumgelungert und habe auf dieses verdammte Auto gewartet, das noch immer nicht repariert ist. Eine verflucht ärgerliche Sache, weil das Düngeflugzeug fällig ist. Die Burschen sind vielleicht schon dort. Warum kann sie nicht mit dem Boot fahren? Ich habe eben Dibble zum Kai hinuntergehen sehen.«
Paulines Wangen glühten. Eine derartige Behandlungsweise war sie nicht gewöhnt. Mit erhobenem Kopf betrat sie den Gang. »Schon gut«, sagte sie, wobei ihre spitze Bemerkung an Lloyd gerichtet war. »Ich nehme viel lieber das Boot. Dibble heißt der Mann, nicht wahr? Ich gehe jetzt zum Kai hinunter und rede mit ihm. Vielen Dank für den mir angebotenen Tee, Mr. Lloyd, aber ich glaube, ich möchte nicht darauf warten. Dibble hat es vielleicht eilig.« Dann warf sie dem Farmer einen giftigen Blick zu, drehte sich um und verließ das Hotel.
Der Anlegeplatz war verlassen — mit Ausnahme eines Mannes in Ölkleidung, der gerade aus einem kleinen Boot kletterte, das unten angebunden lag. Sie winkte ihm zu und erklärte, daß sie zu David Marshalls Hütte wolle.
»Die liegt im Flutgebiet. Die Totenbucht, so nennen sie sie, glaube ich. Wohnen Sie dort in der Nähe?«
»Weiter unten in der Bucht. Wenn Sie dahin wollen, dann müssen Sie sich aber beeilen. Die Flut fällt. Ist das Ihr Zeug? In Ordnung. Das Boot ist bei den Stufen angebunden. Und Vorsicht bitte. Die Stufen sind glitschig, und ich habe keine Lust, Sie aus dem Wasser zu fischen.«
Sie hatte auch nicht die Absicht, hineinzufallen, dachte Pauline verärgert.
Er war ein wenig einnehmender alter Mann, schmutzig und unrasiert, mit heiserer Stimme und einer Abneigung, einem ins Gesicht zu blicken. Er war ebenso unliebenswürdig wie dieser Farmer. Sie hoffte nur, daß die Überfahrt nicht sehr lange dauern würde. Das Boot war ebenso schmutzig und verwahrlost wie dessen Besitzer.
Sie kletterte hinein, während er ihren Koffer und den Karton mit Lebensmitteln hinuntertrug, den sie mitgebracht hatte, da sie sich an Davids Bemerkung erinnert hatte: »Wenn nicht gerade Ebbe ist, bekommt man dort nichts. Natürlich habe ich ein Boot, aber das Wasser zwischen der Bucht und Willesden ist ziemlich heimtückisch; deshalb benütze ich das Boot meistens nur zum Fischen.«
»Und wie kommst du dann an deine Sachen?«
»Ich wate durch die Bucht, wenn Ebbe ist — meine Schuhe um den Hals geschlungen. Und dann ist es noch ein ziemlicher Marsch über die Weiden bis dorthin, wo ich meinen Wagen stehenlasse. Am besten ist es, alles was man braucht, gleich mitzunehmen. Wenn man den ganzen Tag fischt, wird man ziemlich hungrig.«
Sie würde jedenfalls nicht hungrig werden. Bei einer eben in die Brüche gegangenen Verlobung ist man nicht hungrig, weil man an gebrochenem Herzen leidet.
Aber das tat sie auch nicht. Pauline war ein ehrliches Mädchen, und sie wollte sich nicht einreden, daß ihre Gefühle besonders verletzt waren — eher ihr Stolz.
Sie breitete die Zeitung, die sie im Bus gelesen hatte, auf dem nassen, schmutzigen Sitz aus und bereitete sich auf eine unangenehme Reise vor, wobei ihr Davids Bemerkung über das heimtückische Meer einfiel. Sie hoffte, daß es nicht unruhig sein würde. Der Regen hatte zwar aufgehört, aber der Himmel sah ziemlich bedrohlich aus, und es war sehr kalt. Auf dem Boot gab es keine ordentliche Kabine; außerdem war ihr die frische Luft lieber als dieses gräßliche Mäuseloch, das nach Fisch stank. Zunächst zeigte sich Dibble nicht gerade sehr redefreudig, und Pauline saß da,
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