Pern 02 - Die Suche der Drachen
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1.
Wie beginnen? sinnierte Robinton, der Meisterharfner von Pern.
Mit gerunzelter Stirn starrte er den glattgestrichenen, feuc hten Sand an, der in flachen Kästen auf seinem Arbeitstisch stand. Tiefe Sorgenfalten hatten sich in sein längliches Gesicht gegraben, und die blauen Augen, in denen gewöhnlich der Schalk blitzte, wirkten grau und ernst.
Ihm wollten ganz einfach nicht die richtigen Worte einfallen. Und doch brauc hte er eine Ballade für die bevorstehende Hochzeit Baron Asgenars von Lemos, der die Halbschwester von Baron Larad, dem Herrn über Telgar, freite. Von seinen Trommlern und wandernden Harfnern hatte er erfahren, daß seit einiger Zeit Unruhe unter den Baronen herrschte, und so wollte Robinton die günstige Gelegenheit nutzen – denn es stand fest, daß sämtliche Barone und Gildemeister eine Einladung erhalten würden – die Gäste wieder einmal daran zu erinnern, was sie den Drachenreitern schuldig waren.
Als Thema schwebte ihm der kühne Ritt ins Dazwischen vor, den Lessa, die Weyrherrin von Benden, auf ihrer goldenen Drachenkönigin Ramoth gewagt hatte. Damals waren die Barone und Gildemeister nur zu erleichtert über die Ankunft von Drachenreitern aus fünf Weyrn der Vergangenheit gewesen.
Aber wie ließen sich jene Tage des Schreckens und des Triumphs in einen Reim fassen? Selbst die mächtigsten Saitenklänge schafften es nicht, das Pochen des Blutes wieder-zugeben, die eisige Furcht und die Verzweiflung jenes Morgens, als über Nerat die ersten Fäden fielen.
Nicht das plötzliche Wiederaufleben von Loyalität hatte die Barone damals bewogen, sich um F’lar, den Drachenreiter von Benden, zu scharen, sondern nackte Furcht vor den ätzenden 4
Fäden, die sie als Ammenmärchen abgetan hatten und die nun ihre fruchtbaren Ländereien zu zerstören drohten. Damals wären sie bereit gewesen, F’lar ihre Seelen zu verkaufen, wenn er sie nur vor den Fäden beschützte. Und sie hatten Lessa, die ihnen unter Einsatz ihres eigenen Lebens die Rettung brachte, als Heldin gefeiert.
Ein bitterer Ausdruck lag auf Robintons Zügen, als er von den Kästen aufsah.
»Der Sand der Erinnerung trocknet rasch«, sagte er leise und warf einen Blick über das befriedete Tal, hinauf zu dem steilen Berghang, auf dessen Plateau sich Burg Fort ausbreitete. Ein Wachtposten stand auf den Feuerhängen.
Eigentlich hätten es sechs sein sollen, aber es war Saatzeit; Baron Groghe hatte alle verfügbaren Leute auf die Felder hinausgeschickt, auch die Kinder, deren Aufgabe es war, das junge Gras aus den Felsspalten zu jäten und das Moos von den Steinen zu schaben.
Ein Jahr zuvor hätte Baron Groghe diese Pflicht nicht vernachlässigt, ganz gleich, wie viele Drachenlängen Land unbebaut geblieben wären.
Ohne Zweifel beaufsichtigte Baron Groghe persönlich die Arbeiten, ritt von einem Stück Land zum anderen. Groghe von Fort war unermüdlich; seinen leicht vorquellenden blauen Augen entging kein unbeschnittener Baum und keine krumme Ackerfurche. Er war ein stämmiger Mann, der vor Gesundheit strotzte und ein leidenschaftliches Temperament besaß. Doch wenn er seine Pächter antrieb, so gönnte er sich ebenfalls keine Rast. Er verlangte von den anderen nicht mehr, als er selbst leistete. Und wenn er konservativ dachte, so rührte das daher, daß er wußte, wo seine Grenzen lagen, und er sich in diesem Wissen sicher fühlte.
Robinton nagte an seiner Unterlippe.
War Baron Groghes Mißachtung der traditionellen Pflichten eine Antwort auf die wachsende Erbitterung über die Drache n-5
reiter des Fort-Weyrs? T’ron, der Weyrherr, und seine Gefährtin Mardra hielten ihre Geschwader kaum noch dazu an, über den üppigen Wäldern zu patrouillieren und nach Fäden auszuschauen. Dabei hatte Baron Groghe pflichtbewußt Boden-Suchtrupps mit Flammenwerfern ausgeschickt, als die Silbersporen über seinem Land fielen. Er besaß tüchtige Läufer, die er auf seinem gesamten Besitz verteilt hatte, und wenn die Drachenreiter die Fäden in der Luft wirksam be-kämpften, so bestand kaum Gefahr, daß die wenigen Sporen, die dem Flammenatem ihrer Tiere entkamen, sich in das Land eingruben und unentdeckt blieben.
Aber Robinton waren in jüngster Zeit schlimme Dinge zu Ohren gekommen. Er hatte im Laufe der Jahre gelernt, bloße Gerüchte und Verleumdungen von Tatsachen zu unterscheiden.
Und obwohl er zu der Ansicht neigte, daß sich die meisten Schwierigkeiten von selbst lösten, überkam ihn doch allmählich eine gewisse
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