Das Geheimnis Der Schönen Toten
Leben gekostet hatte. Stephen hatte sich bei seiner Ehre verpflichtet gefühlt, für die Freilassung Martels einen hohen Preis zu zahlen. Doch niemand in dieser Welt konnte Eudo Blount freikaufen. An seiner Stelle wurde sein ältester Sohn Herr auf Longner. Sein jüngerer Sohn, ein Novize im Kloster von Ramsey, hatte den Leichnam seines Vaters im März nach Hause gebracht, um ihn dort beizusetzen, wie Cadfael jetzt wieder einfiel.
»Ein prachtvoller, hochgewachsener Mann war das«, erinnerte sich Hugh, »nicht mehr als zwei oder drei Jahre über vierzig. Und gut sah er aus! Keiner seiner Söhne kann es mit ihm aufnehmen. Seltsam, wie das Schicksal spielt.
Die Dame des Hauses ist ein paar Jahre älter und siecht an einem Leiden dahin, das sie zu einem Schatten ihrer selbst gemacht hat und ihr vor Schmerzen keine Ruhe läßt. Und doch, sie schleppt sich weiter durch dieses Leben, während er dahingegangen ist. Läßt sie sich von euch Medikamente kommen? Die Herrin auf Longner? Ich vergesse immer ihren Namen.«
»Donata«, erwiderte Cadfael. »Ihr Name ist Donata.
Doch jetzt, wo du es erwähnst, fallt es mir wieder ein. Es gab eine Zeit, in der ihre Zofe von Zeit zu Zeit einen Arzneitrank holte, um ihren Schmerz zu lindern. Doch das ist jetzt schon ein Jahr oder mehr her. Ich habe gedacht, sie sei schon auf dem Weg der Besserung und würde die Krauter nicht mehr so oft brauchen. Dabei habe ich kaum je etwas für sie tun können. Es gibt Krankheiten, gegen die meine geringen Fähigkeiten nichts ausrichten.«
»Ich habe sie bei der Beisetzung von Eudo gesehen«, sagte Hugh und starrte schwermütig durch die offene Flurtür in die Sommerdämmerung, die sich blau und leuchtend auf seinen Garten senkte. »Nein, diese Krankheit läßt nicht nach. Donata besteht ja fast nur noch aus Haut und Knochen, und ich schwöre, daß das Licht durch ihre Hand schien, als sie sie hob, und ihr Gesicht war grau wie Lavendel und zu lauter tiefen Falten geschrumpft. Eudo ließ mich kommen, als er sich entschlossen hatte, nach Oxford zu gehen und sich der Belagerung anzuschließen. Ich fragte mich, wie er es über sich bringt, sie in einem solchen Zustand allein zu lassen. Stephen hatte ihn nicht gerufen, und selbst wenn er es getan hätte, hätte er nicht persönlich zu gehen brauchen. Er wäre nur verpflichtet gewesen, für vierzig Tage einen bewaffneten und berittenen Knappen hinzuschicken. Doch er bestellte sein Haus, überließ sein Gut der Obhut seines Sohnes und ritt los.«
»Es mag sehr wohl sein«, sagte Cadfael, »daß er es nicht mehr ertragen konnte, sich Tag für Tag ein Leid anzusehen, das er weder verhindern noch bessern konnte.«
Seine Stimme war sehr leise, und Aline, die in diesem Augenblick wieder die Halle betrat, hörte die Worte nicht.
Schon ihr bloßer Anblick, wie sie in ihrer Erfüllung als glückliche Frau und Mutter zufrieden strahlte, verscheuchte all solche Gedanken und brachte beide Männer dazu, eilig jede Spur eines düsteren Ernstes zu verscheuchen, der einen Schatten auf ihre Heiterkeit hätte werfen können. Sie setzte sich zu ihnen. Ausnahmsweise hatte sie einmal nichts zu tun, denn das Licht war schon so schwach, daß sie weder nähen oder auch nur spinnen konnte, und der warme, angenehme Abend war viel zu schön, um durch brennende Kerzen vertrieben zu werden.
»Er schläft tief und fest. Er ist schon beim Abendgebet eingenickt. Aber trotzdem konnte er sich noch aufraffen, von Constance seine Gutenachtgeschichte zu verlangen. Er wird kaum mehr als die ersten Worte gehört haben, aber Gewohnheit ist Gewohnheit. Und ich will auch meine Geschichte«, sagte sie und lächelte Cadfael an, »bevor ich dich ziehen lasse. Was gibt's bei euch drüben im Kloster Neues? Seit der Messe bin ich kaum aus dem Haus gekommen, nur zum Gottesdienst in Saint Mary's. War die Messe dieses Jahr ein Erfolg? Was meinst du? Ich glaubte, weniger Flamen dort zu sehen als sonst, aber trotzdem gab es einige wunderbare Stoffe. Ich habe gut eingekauft, ein paar schwere walisische Wollstoffe für Winterkleidung. Dem Sheriff ist es gleichgültig, was er anzieht«, sagte sie und warf Hugh einen schelmischen Blick zu, »aber ich werde nicht zulassen, daß mein Mann in fadenscheinigen Sachen herumläuft und sich erkältet. Würdest du glauben, daß sein bester Hausmantel zehn Jahre alt ist und ich ihn schon zweimal mit einem neuen Futter versehen habe? Trotzdem will er sich nicht davon trennen.«
»Alte Diener sind die besten«,
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