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Das Geheimnis Der Schönen Toten

Das Geheimnis Der Schönen Toten

Titel: Das Geheimnis Der Schönen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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vor ihnen lang.
    Es war ein sehr angenehm anzusehender Ort. Von der sandigen Böschung des Flußufers stieg der grasbewachsene Hang allmählich zu einem natürlichen Feldrain mit Buschwerk und Dornensträuchern und einem filigranartigen Schirm aus Birken hin an, die sich vor dem Himmel abhoben. In der jenseitigen Ecke duckte sich die Hülle des leeren Häuschens, dessen Garten nicht eingezäunt war und dessen Pflanzenbewuchs in die umgebende Wildnis aus ungemähtem Gras hineinwucherte. Das Heu, das Haughmond nicht hatte einbringen wollen, war schon frühherbstlich verblichen, da es bereits vor Wochen gereift und in Samen geschossen war, und unter den ausgebleichten stehenden Stielen waren noch immer die verschiedensten Wiesenblumen zu sehen, Glockenblumen und Engelwurz, Klatschmohn, Gänseblümchen und Tausendgüldenkraut, und frische grüne Grastriebe durchbrachen das Wurzelgeflecht der welkenden Gräser. Unterhalb des höhergelegenen Knicks zeigten sich in dem Brombeergestrüpp die ersten Früchte, deren Farbe von Rot in Schwarz zu wechseln begann.
    »Wir könnten es immer noch schneiden und als Streu für die Tiere trocknen«, sagte Bruder Richard mit einem abschätzenden Blick auf den üppigen Wildwuchs, »aber wäre es der Mühe wert? Wir könnten es auch absterben lassen und unterpflügen. Dieses Land ist seit Generationen nicht mehr unter dem Pflug gewesen.«
    »Das wäre schwere Arbeit«, sagte Cadfael, der voller Vergnügen den glitzernden Lichtschein der Sonne auf den weißen Birkenstämmen auf dem Hügelkamm betrachtete.
    »Nicht so schwer, wie man glauben könnte. Der Boden darunter ist gut, krümeliger Lehm. Wir haben starke Ochsen, und das Feld ist lang genug, um ein Sechsergespann ins Joch zu nehmen. Wir brauchen beim ersten Pflügen eine tiefe, breite Furche. Ich wäre dafür«, sagte Bruder Richard, der mit dem Nutzvieh genügend Erfahrungen hatte, und marschierte quer über das Feld auf den Hügelkamm zu. Er tat es mit dem sicheren Instinkt des Landmanns, der sich lieber an den höhergelegenen Teil des Ackers hält, statt durch das tiefe Gras zu waten. »Den unteren Streifen könnten wir als Weideland nutzen und diesen oberen Teil pflügen.«
    Cadfael war zu dem gleichen Schluß gekommen. Das Feld, von dem sie sich getrennt hatten und das weiter hinter Haughton lag, hatte sich am besten als Viehweide geeignet, doch hier würden sie sehr gut Weizen oder Gerste anbauen und das Vieh erst auf der unteren Weide grasen lassen können, um es dann auf das abgeerntete Stoppelfeld zu treiben, um das Land für das nächste Jahr zu düngen. Das Land gefiel ihm, und doch lag so etwas wie Traurigkeit auf ihm. Die kläglichen Überreste des Gartenzauns, den sie jetzt erreichten, das wild wuchernde Gestrüpp, in dem Kräuter und Unkraut um Raum für die Wurzeln, um Licht und Luft wetteiferten, der türlose Eingang und die Fenster ohne Läden, all das ließ spüren, daß hier keine Menschen mehr wohnten, daß das Leben ausgezogen war. Ohne diese Überreste wäre dies ein Bild des Friedens gewesen, ein Bild von ländlicher, in sich ruhender Schönheit. Doch es war unmöglich, das verlassene Häuschen und den kleinen Garten anzusehen, ohne daran zu denken, daß hier fünfzehn Jahre lang zwei Leben gelebt worden waren, vereint in einer kinderlosen Ehe, und daß von all den Gedanken und Empfindungen, die den beiden Menschen gemeinsam gewesen waren, jetzt keine Spur mehr zu finden war. Ebenso unmöglich war es, die kahle, eingeebnete Stelle zu übersehen, an der der Brennofen gestanden hatte, den man all seiner Steine beraubt hatte. Beide Männer mußten daran denken, daß hier ein Handwerker gearbeitet und seinen Brennofen beschickt und befeuert hatte, der jetzt aber kahl und kalt war. Hier mußte einmal menschliches Glück zu Hause gewesen sein, Zufriedenheit des Gemüts, die Erfüllung tüchtiger Hände. Kummer, Bitterkeit und Zorn hatte es gewiß auch gegeben, doch jetzt waren nur noch die Trümmer dieses vergangenen Lebens zu sehen, kalte, gleichgültige Melancholie.
    Cadfael kehrte der einst bewohnten Ecke des Feldes den Rücken zu, und jetzt lag die weite Wiesenfläche vor ihm, die leicht dampfte, als die Sonne Morgendunst und Tau verschwinden ließ und die klaren kleinen Farbtupfer der Blumen unter den emporschießenden Gräsern leuchteten.
    Vögel glitten über den Büschen des hochgelegenen Knicks dahin und flatterten zwischen den Bäumen des Hügelkamms umher, und die unbehagliche Erinnerung an den Menschen

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