Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
Vom Netzwerk:
Kraft und Tat, der schaffende Logos, und wie er im Anfang war, so ist er in der Gegenwartsmitte und wird es in der Zukunft sein. Gebührt dem deutschen Logos als schaffendem Sinn der höchste Rang, so ist damit die Stellung des deutschen Wortes, der Sprache, des Stils in Dichtung und Prosa eindeutig mitbestimmt. Nur in der Klippschule der Aesthetik wird es erlaubt sein, hundert minderwertige Beispiele an die Tafel zu schreiben und daraus abfällige Schlüsse auf das Ganze zu ziehen.
    Dieses Ganze ist die vereinigte Dichtung und Prosa unseres Schrifttumes, ist das Schrifttum selbst. Ein Begriff, so mächtig, so überwältigend, daß der Einzelne sich an ihn nur in dämmernden Ahnungen heranwagen darf.
    Aber contra principia negantem non est disputandum, – gegen einen, der die Grundlage leugnet, ist nicht zu disputieren. Es wäre ja möglich, daß einer die überragende Stellung des deutschen Schrifttums bestritte, um daran die Folgerung zu knüpfen: die deutsche Prosa taugt nicht viel. Mit solchem Kritiker würde sich der Streit erübrigen. Nur das Stoßgebet wäre am Platz, daß der heilige Geist der deutschen Literatur ihn erleuchte. Oder, was ganz dasselbe, der Geist der deutschen Sprache. Wird ihm einmal erst wirklich klar, wofür er angeblich kämpft und eifert, dann erlebt er auch seinen Tag von Damaskus; und er muß innewerden, daß nicht die Sprache durch ihn, sondern einzig er durch die Sprache erlöst werden kann.
    »Welche Sprache« – so sagte Börne – »darf sich mit der deutschen messen, welche andere ist so reich und mächtig, so mutig und anmutig, so schön und mild als unsere? Sie hat tausend Farben und tausend Schatten. Sie hat ein Wort für das kleinste Bedürfnis der Minute und ein Wort für das bodenlose Gefühl, das keine Ewigkeit ausschöpft. Sie ist stark in der Not, geschmeidig in Gefahren, schrecklich, wenn sie zürnt, weich in ihrem Mitleide und beweglich zu jedem Unternehmen. Sie ist die treue Dolmetscherin aller Sprachen.« Das ist eine schöne Paraphrase über unser Grundthema, denn nur dadurch ward unsere Sprache so reizvoll und umfassend, daß ihr vergönnt war, das tiefste aus deutschen Hirnen, das feinste aus deutschen Nerven auszusprechen, dadurch, daß sie eines war und ist mit dem deutschen Logos. Nichts da von Ursache und Wirkung, in einer Verkettung, wo uns alles als unlösliche Bedingtheit anspricht! Das Lob der Sprache ist das Lob der Literatur, und wer deren Inhalt auch nur ahnt, in dem muß das Preislied auch für die Sprache erklingen.
    Wer da behauptet, sie wäre entartet, der behauptet im selben Atem, das Schrifttum überhaupt wäre einer Mißbildung verfallen. Und da stehen tausend sprachlebendige Gegenzeugen auf, eine Ritterschaft des Geistes, wie sie noch nirgends und nie zuvor versammelt war. Und nicht als Worthelden treten sie in die Arena, sondern als Helden des Sinnes, der Geistigkeit, der Erfindung, der Gestaltung, der Gedankentiefe. Weit weisen sie es von sich, mit den Widersachern auf schulfuchserische Klaubereien über Einzelworte, Satzbildungen, Stilpflege einzugehen, als über Dinge, die in die Beiblätter der Literatur gehören. Wer deren Hauptteil zu lesen versteht, der weiß es oder sollte es lernen: Sie, die herrlichste von allen, sie als Gesamterscheinung, und damit auch alles, was ihr zugeordnet ist, wie Spiegelbild zum Bild, ihr Stil, ihre Prosa!
    Wird sie es bleiben? Darauf kann ich nicht mit einem blanken Ja oder Nein antworten. Sie wird es bleiben in aller Herrlichkeit, wenn wir längere Zeiträume voraussetzen. Inzwischen aber wird sie Jahre oder Jahrzehnte schwerer Gefahren durchmachen, denn es handelt sich bei denen, die von der heutigen elenden Prosa sprechen, nicht bloß um ein Urteil, sondern um eine Kampfansage. Indem sie vorgeben, die Sprachauswüchse, die Schlechtigkeit des Stils vernichten zu wollen, drängen sie die Sprache selbst in eine Krisis, die nicht von heute auf morgen überwunden werden kann. Man hat es ja auf andern Gebieten erlebt, was Gesundbeter anzurichten vermögen: niemals kurieren sie einen Kranken, aber manchem Gesunden haben sie eine Krankheit suggeriert; und der also Beeinflußte braucht immer längere Zeit, um sich von der Gesundbeterei zu erholen.
    In dieser Lage befindet sich gegenwärtig unser Schrifttum. Ihre Bedränger sind um so gefährlicher, als sie sich in gutem Glauben befinden und zudem über ein ungeheures Rüstzeug aus den Kammern der Beredsamkeit verfügen. Mit ihnen, mit ihren Rezepten und den

Weitere Kostenlose Bücher