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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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Reinigungspulvern, die sie uns Schriftstellern eingeben wollen, werden wir uns ausführlich zu beschäftigen haben. In welchem Stil? das braucht nicht unsere Sorge zu sein, denn hier wird manches gesagt werden, was noch nicht gesagt worden ist!

Ihr Feld ist die Welt
Nationalismus ist der Gegensatz zum Kosmopolitismus, Internationalismus ist die Synthese von Kosmopolitismus und Nationalismus auf höherer Bewußtseinsstufe.
    Wir werden diesen Satz seinem Sinne nach zu erörtern haben und ihn überdies gleich im Eingang der Betrachtung als ein Versuchsmodell benützen. Ich stelle mir vor, er würde nicht nur von einem Deutschen gelesen, sondern dazu von einem nicht ganz ungebildeten Engländer, Italiener, Franzosen, Holländer, Skandinavier, überhaupt von irgend einem leidlich unterrichteten Manne aus aller Welt, der im gewöhnlichen Verlauf der Dinge keine Gelegenheit hat, über seine Muttersprache hinaus zu denken, zu reden und zu verstehen. Für mich unterliegt es keinem Zweifel, daß obiger Satz von allen seinen Lesern ohne sonderliche Schwierigkeit begriffen werden wird. Auf die Anerkennung seines Inhalts nach Richtig oder Falsch kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, sondern nur auf das Verstehen an sich. Und dieses Verstehen wird sich nach kurzer Überlegung einstellen, da die Haupt- und Stichworte des Satzes sozusagen als Dolmetscher der übrigen Worte mit auftreten.
    Würfe der Satz seine deutsche Einkleidung ab, um französisches, englisches, italienisches, holländisches Gewand anzunehmen, so würde sich daran nichts ändern. Legt ihn in Französisch einem Griechen, in Holländisch einem Spanier, in Schwedisch einem Deutschen vor, – immer wird er nach seiner wesentlichen Bedeutung in wenigen Sekunden, höchstens Minuten erfaßt werden.
    Denn in jedem halbwegs intelligenten Menschen lebt etwas von einem Brugsch, Champollion oder Oppert, und jedes Eintasten in fremden Sprachstoff läßt sich der Arbeit vergleichen, die zur Entzifferung der Hieroglyphen und Keilschriften geführt hat. Es ist immer eine Art von Sprach-Algebra auf höherer oder geringerer Stufe, eine Art von Berechnung zur Ermittelung unbekannter Größen aus bekannten, bisweilen nur erahnten. Liegt gar nichts Bekanntes oder leicht zu Deutendes vor, dann freilich wird sich der Durchschnittskopf zu schnellem Verzicht gedrängt fühlen. Er versteht dann eben wirklich nichts und wendet sich mit einem »Kannitverstan« von dem dunkeln Satz in fremder Sprache. Aber mit einem gewissen Frohgefühl stößt er dann gelegentlich auf einen Satz wie den vorangestellten; einige Bestandteile darin blicken ihn vertraut an und erklären ihm mancherlei auch über ihren eigentlichen Wortkreis hinaus. Wie Laternen stehen sie im Dunkel der fremden Ausdrücke, und er müßte schon ein richtiger Stolprian sein, wenn er nicht imstande sein sollte, sich von einer Laterne zur nächsten zu helfen.
    Für uns Deutsche sind diese Glühflämmchen im deutschen Satze die »Fremdworte« im Gegensatz zu den Satznachbarn, denen wir die Heimatsberechtigung zuerkennen. Für alle andern, für die große Mehrheit mithin, liegt die Sache genau umgekehrt: unsere heimatberechtigten Ausdrücke sind ihnen die fremden, unsere fremden die Hausgenossen; da sie in ihrem Englisch, Französisch, Italienisch, Holländisch, Schwedisch, kurz überall denselben Umlaufswert besitzen, den sie bei uns haben müßten, haben sollten, wenn nicht der Unverstand am Werke wäre, die Hauptträger der internationalen, von Volk zu Volk reichenden Verständigung auszurotten.
    Erkennen wir dies in ganzer Tragweite der Wirkung, so müssen wir uns zum Angriff auf einen Ausdruck entschließen, der mehr Unheil angerichtet hat, als irgend einer seit der babylonischen Sprachverwirrung; es ist der Ausdruck: Fremdwort! Was durch die Silbe »Fremd« geächtet werden, als barbarum verschrieen werden soll, ist tatsächlich das der Barbarei, der verderblichen Abschließung, der vereinsamenden Chineserei Entgegenwirkende. Fort mit dem Ausdruck »Fremdwort« für die Worte, die überall verstanden werden, wo die Bildung eine Heimat hat! »Weltworte« sind sie mit hochbewertetem Kurs, wo nur in Ost und West gebildete Menschen mit einander reden!
    Wenn nach Menschenaltern die Kulturforscher auf die Strebungen der Gegenwart zurückblicken werden, in hundert, dreihundert oder fünfhundert Jahren, so wird sich ihnen für ihre Darstellung eine Tonart aufdrängen, wie uns, wenn wir von scholastischen, juridischen, theologischen

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