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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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blickt es bis zum Polarstern, erkennt es vom Fenster aus das Sternbild der Leier und des Herkules.
    So haben die in der genannten Studie aufgestellten Scheinwerfer keine der von uns erlebten Kriegsbegebenheiten vorausbeleuchtet, keines jener Ereignisse, die in den vormaligen verheißungsvollen Bau der zwischenvölkischen Einrichtungen Bresche legten und sie scheinbar in den Grundfesten zerstörten. Desto klarer aber erhellten sie den Weg, der von der verflossenen schwarmgeisternden Weltbürgerlichkeit über die Ausschließlichkeit des Nationalstaates hinweg zum Internationalismus geführt haben. Aus dem Zuge jener Betrachtungen seien hier einige Linien lose nachgezeichnet. Sie erscheinen mir unentbehrlich zum vollen Verständnis dessen, was ich selbst über die Sendung unserer Muttersprache für eine künftige Völkerverständigung zu entwickeln habe.
    Schillers Ode »Seid umschlungen Millionen« und ihre Vertonung im Chorsatz der Neunten Symphonie bilden das klingende Leitmotiv einer Geistesverfassung, die im Aufklärungszeitalter als richtunggebend unter den Höchstgebildeten vorwaltete. Weltbürgertum, Kosmopolitismus hieß die Parole, die oft in flammenden Worten bekannt, immer gedacht und gefühlt, einem Kant, Herder, Goethe, Schiller, Fichte, Hegel, Hölderlin, Schelling, den Schlegel, der ganzen Frühromantik, als auf ein vermeintlich erreichbares Ideal weisend voraustönte.
    Daß einzelne dieser Männer sich in weiterer Entwicklung von der ursprünglichen Parole lossagten, um ihre Hoffnungen und Forderungen auf den Nationalstaat zu richten, ändert nichts an deren weitgespanntem Grundbekenntnis. Wir alle haben Ähnliches in der von uns durchmessenen großen Zeit, namentlich in ihrem Beginn, an zahlreichen Wortführern der öffentlichen Meinung erlebt, aus gleichen Ursachen, mit gleichen Wirkungen. Und gerade die Parallele aus beiden Zeiten kann uns befähigen, Schlüsse zu ziehen in eine Zukunft, die sich voraussichtlich lebhaft der Vergangenheit erinnern und an sie anknüpfen wird.
    Gewiß, Fichtes Reden an die deutsche Nation von 1808, und damit der ganze Fichte, wie er in ihnen und durch sie seine geschichtliche Figur erhalten hat, scheinen eher den Negativpol des positiv-kosmopolitischen Pols darzustellen. Aber der Gegensatz ist auch wirklich ein polarer, in dem Sinne, daß das Positive nicht etwa verschwindet, wenn uns das Negative als das Wesentliche gegenübertritt. Nein, es bleibt vorhanden, als Vorstufe, im Unterbewußtsein, und dort einer neuen Entladungsform gewärtig. Und wenn Fichte den Weltbürger ursprünglich ersehnt, später verleugnet, so ist der Sinn des Vorgangs: daß der Erdenbürger erst alle Segnung seines nationalen Staates in sich aufzunehmen hat, ehe er reif wird für das Glück eines Menschen, in dessen Inneren die Weltseele mitschwingt.
    Aber wenn er auch das Nationale wie eine brausende Glocke mit gestrafftem Arm trägt, in seiner Brust kommt ein anderer Ton nicht zum Schweigen, ein Ton wie Echo aus dem erträumten Menschheitsdom des Weltbürgertums. Noch bleibt er Nachhall des alten Ideals, wird nie Vorhall dessen, das da kommen soll. Fichte hat überwunden, aber die Erinnerung bleibt ihm lebendig; und fast gleichzeitig mit seinen großen Reden bekennt er sich in seinen »Patriotischen Dialogen« von 1807 zu dem Glauben, »daß der kräftigste und regsamste Patriot ebendarum der regsamste Weltbürger ist.« Patriotische Dialoge! – der ganze Titel besteht aus Fremdworten, das heißt Weltworten, die der Völkische von heute als undeutsch anprangert. Und vielleicht regt sich bei denselben Völkischen noch heute ein nachträglicher Groll gegen Fichte, weil er seine flammenden Reden nicht an das Volk, sondern an die deutsche »Nation« gerichtet hat.
    Auch in der Sprachform dieses Wortes liegt ein Nachklang des universellen Bekenntnisses, wie ferner Fichtes klares Gefühl dafür, daß er über die Volkheit hinaus eine im Kultursinn übergeordnete »Nation« aufzurufen hat. Mit diesem Vorbehalt im Titel spricht er freilich deutsch, blankes Deutsch zur großen Masse. Aber es fällt ihm nicht ein, sein Deutsch ebenso durchzusieben, wo er sich an den Gelehrten, den Künstler oder den Studienbeflissenen wendet; wie dies überhaupt noch keinem eingefallen ist, der Weltgültiges gedacht und ausgesprochen hat.
    Dieser sprachliche Kosmopolitismus blieb bei den Besten in Geltung, verbunden mit Strebungen, die unter voller Wahrung des nationalen Gedankens auf das neue Ziel der internationalen

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