Das Geheimnis der Sprache (German Edition)
Verständigung hinauswollten; bei den Besten, die die Möglichkeit eines »dritten Reiches« erkannten, worin nationale Willensbildung und Verständigung von Volk zu Volk nicht mehr als Gegensätze, sondern als natürliche Ergänzungen aufzutreten hätten. Das neue Ziel lag nicht im Traumland oder Wolkenkuckucksheim. Es handelte sich nicht mehr darum, die Millionen zu umschlingen und die ganze Welt abzuküssen; wohl aber sollte versucht werden, die Reibungswiderstände zwischen den Völkern zu mindern und das Gemeinsame der Nationen zur Geltung zu bringen. Der Kosmopolitismus verhielt sich zur Internationalität wie die urväterische Postkutsche zum modernen Blitzzug, der neue Gedanke verzichtete auf die Begriffslyrik und Romantik des alten, um die Lebensmöglichkeiten zu steigern und den Widerspruch von nationaler Enge und technischer Weite aus der Welt zu schaffen. Die große Technik mit ihrer Überwindung von Raum und Zeit paßte weder in die schmale Umgrenzung des Nationalwillens, noch eignete sie sich mit ihren brutalen Kräften zur Verwirklichung der weltbürgerlichen Sentimentalität. So verblaßte der Kosmopolitismus mehr und mehr zu einem phantastischen Schemen, während der Internationalismus sich immer entschiedener als der Träger praktischer Wirklichkeitswerte offenbarte.
Harte Notwendigkeiten traten auf, die sich ohne schwärmerisches Gesäusel elementarkräftig durchzusetzen wußten, über alle Grenzpfähle hinweg. In dichter Folge reihten sich Forderungen an Verwirklichungen auf zahlreichen Konferenzen und Kongressen, welche sich mit Weltpost, Arbeiterschutz, Bahnverkehr, Urheberrecht, Telegraphie, Luftrecht, Statistik, Wohlfahrtspflege und allen Gemeinsamkeiten der Wissenschaft und Kunst beschäftigten. Kaum ein Zweig geistiger Betätigung wäre zu finden, der nicht irgend wie versucht hätte, aus der großen Weltbestrahlung neue Triebe für sich zu gewinnen. Heutigentags, da die sengende Furie nur noch vereinzelte Wahrzeichen, wie das Rote Kreuz und den Nobelpreis, übrig gelassen hat, denken wir mit Wehmut zurück an so viele Kongreßergebnisse, Ausstellungen, Brücken von Amt zu Amt, von Akademie zu Akademie, an all die Bauten, die durch den Weltfriedenspalast im Haag ihren krönenden Abschluß erreichen sollten. Und gleichwohl wissen wir: nicht Utopien waren es, nicht leere Vergänglichkeiten, nicht ausgeträumte Wahngebilde. Nur das Zeitmaß, das wir für ihre unzerbrechliche Verwirklichung angesetzt hatten, war verfehlt. Was wir im Überschwang für die Generalprobe, wohl gar schon für die Aufführung genommen hatten, war tatsächlich nur die erste Lesung eines szenischen Entwurfs, der ins Feuer wandern mußte, weil einige dramatische Voraussetzungen nicht stimmten. Die Menschheit wird neue Proben ansetzen, und Aufgabe ihrer Dramaturgen wird es sein, den unzerstörbaren Kern des internationalen Werkes mit besserer dramatischer Motivierung herauszuarbeiten.
Aber auch in dieser künftigen Ausarbeitung wird der Nationalgedanke seine volle Geltung behaupten müssen. Ihn herauslösen hieße in die alte Schwarmgeisterei zurückfallen, mit der sich die weltbürgerlichen Allumschlinger von Anno Tobak benebelten. In jener Studie, von der wir oben ausgingen, heißt es kurz und treffend: Der Kosmopolitismus ist der Utopismus des Internationalismus – Nationalismus ist der Gegensatz zum Kosmopolitismus, – Internationalismus ist die Synthese von Kosmopolitismus und Nationalismus auf höherer Bewußtseinsstufe.
Wir hatten diesen Satz als Versuchsmodell vorangestellt, um vom Fremdwort zum »Weltwort« zu gelangen. Denn das Weltwort spielt in der Internationalität keine geringere Rolle, als irgend eine jener Gemeinsamkeiten, die wir vordem so hoch gepriesen hatten und in absehbarer Zukunft abermals preisen werden.
Und warum wurde das bis jetzt so mangelhaft gewürdigt? Ohne Umschweif gesagt, so gar nicht erkannt? Wie kam es, daß so selten, – oder nie – ein Anwalt des Fremdwortes an einem jener grünen Tische Platz nahm, an denen Internationales gefördert und gefordert wurde?
Das kam so: Es gibt natürlich eine Frage der internationalen Sprache. Sie fand auch ihre Beantwortung in Kunstgebilden, die unter den Namen Volapük, Esperanto, Ido bekanntgeworden sind, wenn, man will sogar berühmt. Das Esperanto zählt auf der Erde meines Wissens etwa eine Million Anhänger und Pfleger, das heißt also den fünfzehnten Teil eines Prozentes der Menschheit. Und wenn so Einer unter Fünfzehnhundert, sagen
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