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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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»als welcher«; klingt's papieren in Schopenhauers Granit?
    Zum mindesten möchte ich behaupten, daß die Kriminalakten gegen die drei Verrufenen noch nicht geschlossen sind. Künftige Sprachübung könnte wohl dem heute als Schwerverbrecher behandelten »Welcher« die bürgerlichen Ehrenrechte wiedergeben. Und ich scheue auch vor einer weiteren Ansage nicht zurück: soviel die »Schreibe« auch von der Rede zu lernen hat, soviel, wenn nicht mehr, könnte auch die Rede lernen vom Geschriebenen, mag darin auch bisweilen »gewelchert« werden:
Der Satz, durch welchen alles Ding
Bestand und Form empfangen – – –
     
Also sieht man bei euch den leichten Tanz der Thalia
Neben dem ernsten Tanz, welchen Melpomene geht; –
     
Woher nehmt ihr denn aber das große, gigantische Schicksal,
Welches den Menschen erhebt, wenn es den Menschen zermalmt?«
     
    Ist das Papierstil oder Schrift in Felsen? Man braucht den Bescheid der Regelschmiede nicht abzuwarten, denn Schiller selbst hat geantwortet:
So war's immer, mein Freund, und so wird's bleiben: die Ohnmacht
Hat die Regel für sich, aber die Kraft den Erfolg!
     

Gespenster und Atome
    Vor dreihundert Jahren entfaltete Bacon von Verulam in seinem Novum Organon die Lehre von den Sprachgespenstern ; eine der merkwürdigsten Offenbarungen dieses tiefgründigen Denkers. Die Hohepriester der heutigen Sprachbewegung werden schwerlich Veranlassung nehmen, dieses Jubiläum besonders festlich zu begehen; Grund genug für mich, des Jahres und des Werkes zu gedenken und einige Zeilen aus Bacons Lehre herauszuholen:
    »Die alleinige Ursache fast alles wissenschaftlichen Unheils liegt darin, daß man die Kräfte der menschlichen Vernunft oder Sprache fälschlich bewundert und erhebt ... Die Logik dient mehr dazu, die in den sprachlichen Begriffen steckenden Irrtümer zu befestigen, als die Wahrheit zu entdecken ... Die Gespenster der menschlichen Sprache halten die Vernunft so gefangen, daß die Wahrheit nur schwer Zutritt findet; würde aber dieser Zutritt dennoch ermöglicht, so würden bei der Erneuerung der Wissenschaften diese Gespenster immer wiederkehren und belästigen ... Denn die Worte der Sprache vergewaltigen die Vernunft; die Kausalität und alle diese (Aristotelischen) Begriffe gehören zu den Gespenstern der Menschenhorde... Es glauben nämlich die Menschen, die Vernunft herrsche über die Sprache; aber die Worte haben wiederum Gewalt über die Vernunft, und davon ist die Philosophie sophistisch und unwirksam geworden ... Wenn ein schärferer Verstand oder eine genauere Beobachtung die Definitionen der Begriffe mit der Natur mehr in Übereinstimmung bringen möchte, so schreien die Worte dagegen; darum endigen gelehrte Kämpfe so oft in Wortstreitigkeiten ... Also muß den Gespenstern aller Art mit einem festen und feierlichen Entschlusse aufgesagt und aufgekündigt werden ... Die Pietät für eitle Hirngespinste ist die Pest des Verstandes ... Die Atomistiker sind immerhin tiefer in die Natur eingedrungen als die Begriffsphilosophen ... Die wahre Einsicht in das Wesen der Natur kann nur von besonderen Fällen und geeigneten Versuchen kommen ... Die lichtbringenden Experimente sind noch wertvoller als die fruchtbringenden.«
    Schon aus dieser dürftigen Auslese erhellt Bacons Überzeugung davon, daß Worte und Wortbegriffe unvermögend sind, aus sich heraus Geisteswerte zu erzeugen. Aber ohne Worte keine Sprache, ohne Sprache keine Gedankenübermittelung, ja kein Denken, auch kein Baconsches Denken, und so ergäbe sich ein Fehlerzirkel, der sich nur dadurch löst, daß man das Sprachgespenst mit der hellen Laterne schärfster Definitionen beleuchtet. Alsdann verflüchtet sich das Gespenstische, und das Wort wird zum brauchbaren Diener der in Beobachtung verankerten, durch das Experiment erwiesenen Gedanken. Freilich läßt sich mit den Worten selbst nicht experimentieren, wie man Kräfte, Strahlungen und chemische Reagenzen der Beobachtung unterwirft. Nur ein einziger Apparat steht hier zur Verfügung, nämlich wiederum der Gedanke, das Gedankenexperiment. Dieses kann aber so aufgebaut werden, daß aus ihm zur Beurteilung des Wortes gewisse Erkenntnisse erfließen.
    Zu den Experimenten, welche die drei Jahrhunderte nach Bacon verwirklichten, gehören uns zeitlich zunächst die auf Atomforschung gerichteten. Sie haben unter anderm zur Entdeckung der radioaktiven Familien geführt und elementare Umwandlungen erkennen lassen, die in Erscheinungen des Sprachlebens ihre

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