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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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Fuchtel mitbringt:
»Ihr böse Teutschen, – Man soll euch peutschen, –
Daß ihr die Muttersprach' – So wenig acht'!«
     
    Damit könnten wir den Reigen, unter Vernachlässigung aller Zwischenglieder, vorläufig schließen. Die Kläger marschieren getrennt und schlagen vereint, gegen Sprachschlechtigkeit, die dem einen als Mißwachs, als Verhängnis, dem andern als sträflich erzeugte Luderei erscheint. Dieser entlädt seinen Groll gegen die Schreiber und Sprecher, jener schiebt die Schuld auf die Sprache an sich, die sonach nicht nur für uns dichtet und denkt, sondern uns auch häufig genug am Dichten und Denken verhindert; dieser will nur ein Urteil erzwingen, ohne sich um den Strafvollzug zu kümmern, jener will bütteln und stäupen, noch einer öffnet die Tür zum Besserungshaus; – alle sind darin einig, daß ein trostloser Zustand vorliegt, alle beziehen ihn auf ihre eigene Gegenwart, auf die Widrigkeiten, die ihnen aus deutscher Rede, deutscher Prosa entgegenströmten.
    Und nun wollen wir uns unseres Vorsatzes erinnern, eben dieser Rede und Schrift, eben dieser Deutsch-Prosa zu allen Weihen zu verhelfen, mit allem gebührenden Respekt vor den Advocatis diaboli, aber mit noch größerem Respekt vor den Rechtsansprüchen einer unschuldig Verklagten; die noch dazu, wie es in der alten Folterordnung heißt, so lange »ungütlich befragt« wurde, bis sie gegen sich selbst zeugte. Das Verzichtwort der Pythagorasschüler: ipse dixit, autos epha, darf nicht für uns entscheidend werden, um uns mit gebundener Vernunft der Autorität zu übergeben, selbst wenn der ipse Goethe oder Richard Wagner heißt. Denn am Ende aller Dinge sind auch sie nur Diener am Wort; hoch über ihnen steht das Wort selbst, die Sprache, so hoch, daß sie von keinem Angriff erreicht werden kann.
    Aber, sagte ich nicht soeben, sie hätte unter Zwang gegen sich gezeugt? Ja, auch das bleibt bestehen, denn sie ist so allmächtig, daß sie selbst den Anschein der Schwäche anzunehmen vermag; in irgend welcher Teilerscheinung, die wir dann fälschlich für das Ganze nehmen. Keine irdische Betrachtung reicht aus, um ihre Ganzheit zu erfassen; immer nur sind es Teilformen, die dem Urteil unterworfen werden, dem anthropomorphen Urteil, das irgend welche Bücher, einzeln oder zu Tausenden, für die Sprache nimmt; so wie wir ja auch Klassen von Pflanzen als giftig, von Tieren als schädlich bezeichnen. Aber auf die großen Einheiten der Pflanzen- und Tierwelt oder gar der organischen Natur übertragen, verlieren die Begriffe Gift und Schädlichkeit ihren Sinn, müßten ihn verlieren, selbst wenn alle Täler von Schierling und Skorpionen wimmelten. Der simpelste Verstand würde sich scheuen, einen Fehlschluß in dieser Richtung zu begehen. Und eben dieser Fehlschluß ereignet sich bei der Denkarbeit vorzüglicher Gehirne, wenn Angelegenheiten der Sprache zur Erörterung stehen.
    Keiner hat so eindringlich wie Goethe vor den Fallstricken der anthropomorphen Denkweise gewarnt, und keiner hat sich so willig von ihnen umgarnen lassen wie er. Er wäre nicht der Allumfasser gewesen, der er war, wenn nicht die Polarität zwischen Denkforscher und Dichter bei ihm zu größtmöglichem Ausdruck gekommen wäre. Die Sprache bezeichnet er als den »schlechtesten Stoff«, weil er sie im Augenblick des Grolls nur auf sich bezieht, ganz subjektiv, ganz anthropomorph, sie erscheint ihm, ganz wörtlich nach dem Zusammenhang, schlechter als jedes Ausdrucksmittel eines bildenden Künstlers, als Öl, Ton und Kupfer. Setzen wir einmal den Fall, Goethe hätte sich zu einem bedeutenden Bildhauer entwickelt und er wäre eines Tages von dem Mißverhältnis zwischen Wollen und Können überwältigt worden; in einer Stimmung, die Michelangelo aufstöhnen ließ, er wäre im höchsten Greisenalter eben erst dazu gelangt, die Anfangsgründe der Skulptur zu erfassen! So hätte er genau mit demselben Rechte auf den Marmor abwälzen dürfen, was er in seinem Falle als Schuld der Sprache ausrief. Wo ist der Unterschied? Der Vergleich ergibt nicht den geringsten, nur daß wir im Falle der Bildhauerei sofort merken, wo der Fehler sitzt; weil wir zwar alle in Sprache arbeiten, aber nur wenige von uns in Stein. Der Sonderfall beleuchtet den allgemeinen: das Material steht immer außer Schuld, es ist so hoch übergeordnet, daß kein Schuldbegriff zu ihm hinaufreicht. Auch diese Rangstellung ist schon von Michelangelo angedeutet worden: Non ha l'ottimo artista alcun concetto, – Ch'un

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