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Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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erwartet! Was tust du ausgerechnet hier und zu dieser Stunde?«
    Lunetta drehte sich um. Das Licht einer Laterne blendete sie. Doch dann erkannte sie den Mann, der vor ihr stand. Wärme und Erleichterung stiegen in ihr hoch, während sie ihm wortlos in die Arme sank. Mit ihm hatte sie an diesem Ort zuletzt gerechnet! Das also war der Arzt der Leprosen. Aber natürlich! Er war genau der Mann, der sich allen Stürmen zum Trotz zu den Elendsten begeben würde, um zu helfen. Warum hatte sie gefürchtet, ihn verändert zu finden, von Schmerz gebeugt oder ohne Liebe? Wie blind hatten Zorn und Furcht sie gemacht?
    »Ich … ich habe einen Toten gesehen«, flüsterte sie statt einer Begrüßung und drückte ihr Gesicht in seinen schwarzen Tuchumhang. Dunkelheit umfing sie wie ein samtener Handschuh. Heimat war kein Ort, sondern Menschen, die man liebte. So wie Gabriel Zimenes, der Bruder ihrer Mutter.
    »Einen Toten?«, wiederholte ihr Onkel verwirrt. »Der Schellenknecht faselte nur etwas von einem umgestürzten Baum und einem Verletzten in der Kirche!«
    »Ich meine nicht Goswin.«
    »Goswin? Er ist verletzt? Komm!«
    Lunetta hielt ihn beim Saum seines Umhangs fest. »Warte! Warte! Was ist mit dem Toten dort in der Grube?«
    »Welcher Tote, mi cariño? «
    »Ich kenne ihn nicht.« Zweifel schwang in ihrer Stimme mit.
    »Das kannst du auch nicht, denn dort ist kein Toter!«
    »Doch. Man hat ihm den Kopf abgetrennt. Sein Mörder kann nicht weit sein.«
    » Chica , ich schwöre dir, die Grube ist leer! Schau hin.« Gabriel hielt die Laterne über das Grab.
    Lunetta starrte ungläubig in die Tiefe. Bei Gott, das Loch war tatsächlich leer!
    Und dennoch hatte sie den Toten gesehen und Entsetzen dabei verspürt. Sie wollte sprechen, aber das Entsetzen wich einer plötzlichen Erkenntnis und machte sie stumm: Der Herr hatte ihr die Gabe wieder geschenkt! Sie konnte sehen, was anderen verborgen war, so wie damals, als sie ein elfjähriges Mädchen war. Ein von Schmerz durchdrungenes, hellsichtiges Kind, verbunden mit einer anderen Welt. Aber wer war der löwengleiche Tote gewesen? Ihr Vater? Lunetta erschrak erneut.
    »Niña«. Ihr Gegenüber schüttelte sie sanft. »Was ist dir? Wir müssen zu Goswin!«
    Lunetta schaute langsam hoch, beinahe widerwillig ließ sie das Bild des Toten in sich sinken und nahm das Gesicht des geliebten Menschen wahr, der sie trotz ihrer achtzehn Jahre immer noch niña , Kind, nannte. Es hatte den gleichen Goldton wie das ihre, seine Augen glänzten schwarz wie der Jettstein ihrer nordspanischen Heimat. Wie der Gagat, aus dem man Traueramulette und Totenschmuck schnitzte. Lunetta schüttelte den Gedanken ab wie eine lästige Sommerfliege. Nein, ihn hatte sie nicht im Grab gesehen!
    »Lunetta, ist Goswin schwer verletzt?«
    »Ich weiß es nicht, aber er lebt und atmet…«
    »Komm, bevor wir unsere Hand nicht mehr vor Augen sehen.« Gabriel Zimenes drehte sich entschlossen um und strebte auf die Kapelle zu.
    Lunetta warf einen letzten Blick in die klaffende Grube, dann folgte sie zögernd ihrem Onkel. Auch wenn sie nicht wusste, wer der Tote war, den sie gesehen hatte, waren in ihr kein Zorn mehr und auch keine Furcht. Der Herr hatte ihr in seiner unermesslichen Güte eine Warnung geschickt. Sicher würde er ihr auch den Schlüssel in die Hand geben, sie zu deuten.
    Sie beschleunigte ihre Schritte und rannte zum Kapelleneingang. Über ihr wölbte sich das Gnadenportal. Sie erkannte den Erzengel Michael mit dem Schwert, der die Toten aus geöffneten Gräbern ins Paradies führte – oder in die Hölle hinabstieß.
    Und mit einem Mal wusste sie, was der Herr ihr eben mit dem leeren Grab gezeigt hatte: seine umfassende Macht über Leben und Sterben. Kein Wunder war zu groß für den Allmächtigen. Auch nicht das der Wiedererweckung von den Toten. Was konnte das anderes heißen, als dass ihr Vater geschützt war und ihre Ahnungen lästerlich?
    Lunettas Herz klopfte voll freudiger Dankbarkeit. Die Liebe des Gottes, den sie eben noch verflucht hatte, schien größer als sein Zorn über sie oder das Tarot. Er hatte ihr Gabriel Zimenes geschickt, Goswin ins Leben zurückgeholt und ihr gezeigt, dass kein Feind den Vater vernichten würde, durch dessen Wappen ein reißender Löwe sprang.
    Voll Dankbarkeit hob sie ihr Gesicht zum Gnadenportal.
    Herr, dein Wille geschehe! Ich werde die Karten nicht mehr befragen.
    Sie waren ohnehin verloren. Gestohlen von dem Degenträger. Lunetta schmunzelte. Vielleicht war er ja

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