Das Geheimnis der toten Vögel
Maria.
»Er wurde wütend und meinte, ich würde lügen, also musste ich ihn mitnehmen und ihm das Fenster zeigen. ›Sieh selbst!‹, habe ich gesagt, und da war er still. Dann hat er mich am Kittel genommen und an die Wand gedrückt. ›Du erzählst niemandem etwas davon, ist das klar? Ich rede selbst mit der Chefin. Kein Wort zu Finn‹, hat er gesagt.«
»Wissen Sie, ob er Viktoria Hammar erzählt hat, dass Sandra eingebrochen hatte? Es fiel ihm vielleicht nicht so leicht, sie bloßzustellen, auch wenn zwischen ihnen Schluss war.«
»Ich habe nichts mehr davon gehört. Natürlich muss er irgendwas gesagt haben, denn das Fenster war ja kaputt. Am nächsten Tag kam ein Glaser. Man konnte es nicht verbergen. Aber jetzt, wo sie tot ist … ich habe so viel daran gedacht. Ich weiß nicht, ob es richtig war, Sie anzurufen, aber ich kann doch anonym bleiben, oder?«
»Sie haben das Richtige getan«, sagte Maria, ohne der Frau Anonymität zu versprechen, und dachte gleichzeitig, dass es ja nicht allzu viele Putzfrauen bei Vigoris geben konnte, die in der fraglichen Nacht gearbeitet hatten. »Wenn Ihnen noch etwas einfällt, wäre mir natürlich daran gelegen, dass Sie sich wieder bei mir melden. Es war gut, dass Sie mir das erzählt haben.«
Reine Hammar ließ sich unwirsch auf dem Besucherstuhl vor Maria nieder. Aus jeder Bewegung sprach Widerwillen.
»Ich hoffe wirklich, dass dieses Gespräch auch notwendig ist. Ich war längere Zeit in diesem Irrenhaus in Follingbo eingesperrt. Mit etwas Phantasie können Sie sich vielleicht vorstellen, dass es eine Menge zu tun gibt, wenn man zurückkommt. Ich weiß nicht einmal richtig, worum es hier geht. Werde ich wegen irgendetwas verdächtigt, oder was ist los, verdammt noch mal?«
»Eine Ihrer Angestellten, Sandra Hägg, ist ermordet worden. Meine Aufgabe ist es herauszubekommen, wer es getan hat und warum.«
»Das ist wirklich furchtbar. Muss das Tonband laufen?«, fragte er und legte eine hochmütige Miene auf, die Maria höchst ärgerlich fand.
»Das wäre am besten. Sonst müssen wir uns auf mein mangelhaftes Gedächtnis verlassen.«
Er bedachte sie mit einem langen Blick, und der Schatten eines Lächelns huschte über sein Gesicht. »Von zwei Übeln sollte man das geringere wählen. Schießen Sie los.«
»Was können Sie über Sandra sagen, wie war sie als Krankenschwester?«
»Die kleine Sandra«, sagte er gedankenverloren. »Die perfekte Schwester. Immer so freundlich und immer einen Schritt voraus. Wenn man sie bitten wollte, etwas vorzubereiten, dann hatte sie in der Regel schon daran gedacht, und das Tablett stand fertig gerichtet da. Die Untersuchungsergebnisse lagen bereit. Die Termine waren vereinbart. Die Überweisungen gestempelt und fertig. Es wird schwer werden, ihren Platz auszufüllen. Es ist immer aufwendig, jemand Neues einzulernen.«
»Und ihr Privatleben … was wissen Sie darüber, wie es bei ihr zu Hause aussah?« Maria hatte das Gefühl, als würde seine Aufmerksamkeit jetzt nachlassen, aber mit der heikelsten Frage wartete sie dennoch, bis er ganz entspannt sein würde.
»Sandra war alleinstehend. Keine Kinder.« Er machte ein Geräusch, das irgendwo zwischen einem Räuspern und einem Schniefen lag, und Maria musste ihn bitten, das noch einmal zu wiederholen. »Sie hatte gerade eine Beziehung mit einem unserer Angestellten beendet. Was Beziehungen bei der Arbeit angeht, so haben wir kürzlich aus der Konzernzentrale Richtlinien erhalten. Wir sehen es am liebsten, wenn die Angestellten nicht auf diese Weise persönlich miteinander verbunden sind. In der Folge werden wir, wenn eine Romanze bei der Arbeit entsteht, die Parteien zu einem Gespräch bitten, und dann wird die Leitung Konsequenzen aus dem Verhältnis ziehen müssen.«
»Wie meinen Sie das?« Es fiel Maria schwer, ihr Erstaunen zu verbergen und ihren Ärger zurückzuhalten.
»Man wird sich darüber einigen müssen, wer für den Betrieb am nützlichsten ist, und der andere wird gehen müssen. Die Arbeit hier ist so wichtig, dass wir absolute Loyalität verlangen. Wenn man gleichzeitig an einen Kollegen gebunden ist, dann entstehen daraus doppelte Loyalitäten.«
»Aber Sie sind doch auch verheiratet«, entfuhr es Maria, ehe sie sich zügeln konnte. Das war nicht der springende Punkt, und wenn sie ihre eigenen Ansichten vortrug, war das Risiko, in eine Sackgasse zu geraten, sehr groß.
»Genau darauf
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