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Das Geheimnis der toten Vögel

Das Geheimnis der toten Vögel

Titel: Das Geheimnis der toten Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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gehört. Seine Botschaft an die Menschen der Gegenwart war: Gewöhnt euch nicht an das Böse, schreitet ein, solange noch Zeit ist. Und er war sehr bekümmert darüber, dass es sogar in unserer Zeit noch Arm und Reich gibt.«
     
    »Und warum ist er dann als ruheloser Geist auf der Erde geblieben?«, fragte Maria, als ihnen der Tisch direkt am Feuer zugewiesen worden war. Das war angenehm, denn der Abend war rau und kühl.
     
    »Wer weiß, vielleicht, um vergeben zu lernen. Es kann nicht leicht sein, sich mit einem Bruder zu versöhnen, der einem das Messer in den Rücken gejagt hat. Das kann schon mal seine siebenhundert Jahre in Anspruch nehmen.«
     
    Sie bestellten eine Kanne Wein und eine mittelalterliche Tafel, die aus Brot, Äpfeln, Nüssen, kandierten Rosenblättern, geräuchertem Lammschinken, Wurst, Käse, in Honig gebräuntem Kohl, Lammkoteletts, Rippchen und Birnenkaramellen bestand.
     
    Als sie gerade zugreifen wollten, öffnete ein Gaukler die Tür sperrangelweit und skandierte mit lauter Stimme: »Ein Schatten legte sich auf das Volk, als im Jahr der Pest 1351 die Posaunen über der Stadt ertönten. Inneres Schaudern und Hitze, matte Augen und Schwindel, ein unstillbarer Durst und Atemnot befielen dich, du hochmütige Stadt. Doch damit nicht genug. Schwarze Beulen, groß wie Gänseeier, warfen deine Achselhöhlen, deine Wangenknochen und deine Leisten auf. Deine Rede wurde undeutlich, dein Gang schwankend, doch es folgten weitere Leiden: Blutfluss aus der Lunge, Blut in Stuhlgang und Urin. So packte dich die Pest, als der Drache, der Teufel, auf die Erde losgelassen wurde. Die Angst schuf Wahnsinn, und der Wahnsinn steigerte die Angst – ein echter Teufelskreis. Aber hast du dich in Acht genommen? Ich kann durch die Mauern und Wände aus Stein sehen, du mickriges Wesen, wie du mit falschem Maß misst und auf falschen Waagen wiegst. Weh dir, du verlorene Stadt, am Tag des Jüngsten Gerichts, da du in meiner Waagschale gewogen wirst und dein Lotterleben offenbar wird. Denn immer noch herrscht in deinen Gassen das Böse. Immer noch schwebt es auf dunklen Schwingen und verbreitet seine Absonderungen zwischen deinen stolzen Klöstern und Häusern der Reichen, und sein Schnabel wird dir keine Ruhe lassen, sondern …«
     
    »Jetzt hör auf, Christoffer, komm lieber her und trink ein Bier mit uns.« Maria packte seine Schellenkappe und zog sein Gesicht zu sich. »Hör auf! Du bist furchtbar.«
     
    »Ich weiß. Meine Freunde nennen mich die Pest.« Er begrüßte Jonatan abschätzig. »Und wer ist dieses Bleichgesicht, dessen du dich erbarmt hast? Er sieht ja aus, als hätte er seit dem Jahr der Pest mit der Nase in einer Pergamentrolle gesessen. Ich wette, seine Männlichkeit ist nicht imponierender als ein Mehlwurm.« Christoffer demonstrierte dies mit seinem kleinen Finger vor Jonatans Nase. »Ich weiß, dass du ein gutes Herz hast, Maria, aber man kann nicht immer die Wohltäterin sein, manchmal muss man sich auch verlustieren. Wenn du mir in meine einfache Kammer folgen möchtest, dann würde ich dich zur glücklichsten Frau in Visby machen. Nein, ich erwarte keinen Dank. Das Vergnügen wäre ganz meinerseits.«
     
    »Wer zum Teufel ist denn das?«, fragte Jonatan mit Bestürzung, während ihm die Farbe ins Gesicht stieg. »Hast du was dagegen, wenn ich ihm eine runterhaue?«
     
    »Du, hau ihm ruhig eine runter, er ist es wert. Wie geht es deiner Mutter?«, fragte Maria in freundlichem Plauderton, während Christoffer sich ungeniert auf ihrem Schoß niederließ und sich ihren Teller nahm. Er war nicht sonderlich groß, und in Marias Arm sah er mit den viel zu langen Hemdsärmeln und der Narrenkappe wie ein Baby aus. Mit einem halben Lammkotelett im Mund erzählte er, was in jüngster Zeit in Eksta passiert war. Jonatan sah aus wie der Donnergott selbst, aber sie bemerkten ihn gar nicht.
     
    »Sie ist richtig glücklich mit Henrik, und das macht mich ein wenig eifersüchtig. Ich bekomme nie die Liebe, die ich verdiene, nicht einmal von meiner Mutter.«
     
    »Aber du hältst dich ja wohl anderswo schadlos, nicht wahr?«, lachte Maria. »Gibt’s was Neues in der Stadt? Als Polizistin ist man doch immer neugierig, was sich so tut.«
     
    Mit einem Mal wurde Christoffer ernst.
     
    »Als der Schwarze Tod herrschte, suchte man nach Sündenböcken. Die Juden seien Schuld, meinte man, sie hätten die Brunnen vergiftet und so die Pest verursacht. Die Geschichte wiederholt sich. Heute Abend sind in zwei

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