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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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vor, wenn eine frische Kuhle ausgehoben wird. Dadurch verändern die anderen Toten, die in der Nähe verscharrt wurden, ihre Lage und fallen in sich zusammen. Das sieht schrecklich aus, ist aber ganz normal. Das sind keine Wiedergänger, glaubt mir, die sind alle schon lange tot.«
    Nach und nach gelang es ihr, die verschreckten Frauen zu besänftigen. Doch nun hatten es alle recht eilig, den Friedhof zu verlassen.
    Als Katharina wenig später gemeinsam mit den Huren dem Frauengässchen zustrebte, konnte sie es bei aller Beherztheit nicht verhindern, dass ihr eine schwelende Furcht im Nacken saß, die sie wie eine böse Ahnung noch den Abend und einen Großteil der Nacht umklammert hielt.

2
    Am Abend von Allerheiligen fegten bereits die ersten Vorboten der Novemberstürme, begleitet von heftigen Regenschauern, durch die Gassen der Frankfurter Neustadt. Ein Wetter so recht zum Verkriechen; wer nicht unbedingt musste, blieb in der Stube und machte es sich auf der warmen Ofenbank gemütlich. Man trank heißen Würzwein und lauschte den schaurigen Geschichten, die sich seit alters her um das Fest der Toten rankten. In jener Nacht, so erzählte man sich, zögen die Jenseitigen durch die Gassen, pochten an die Haustüren der Lebenden, kehrten in die Häuser von Menschen ein, die ihnen einst zugetan waren, und hielten dort Nachtmahl. Dann machten sie sich davon, ohne Spuren oder Schaden zu hinterlassen, es fehle auch nichts von den Speisen. Wen auch immer die Wiedergänger unterwegs anträfen, der müsse sie auf ihrer Nachtfahrt begleiten. Die Heimgesuchten kehrten zwar zurück, seien fortan jedoch wunderlich und seltsam entrückt. Sie lebten nicht mehr länger im Hier und Jetzt und könnten weder Freud noch Leid empfinden.
    Wer immer an diesem Abend kurz vor der achten Stunde die lange, hagere Gestalt erblickt hätte, welche im schwarzen kuttenartigen Mantel mit spitz zulaufender Kapuze durch die einsame Vilbeler Gasse hastete, der hätte mit Sicherheit einen Entsetzensschrei ausgestoßen und behauptet, er habe einen solchen Wiedergänger gesehen.
    Heinrich Sahl, den städtischen Totengräber, hätte das nicht verwundert, er war es gewohnt, dass sich die Leute vor ihm fürchteten. Sein ausgemergelter Körper, die bleiche Gesichtsfarbe und die tiefen Ringe um die wässrigen Augen riefen selbst am helllichten Tage ein Raunen unter den Stadtbürgern hervor.
    »Da geht Freund Hein!«, hieß es, wenn er vorüberhuschte, und man erzählte sich, er stehe mit dem Jenseits in Kontakt und sei hellsichtig genug, das nahe Ende eines Menschen zu erspüren. Wenn er über den Markt schritt oder eine Schenke betrat, wichen alle seinem Blick aus, denn es wurde gemunkelt, wen er anlächle, der werde sein nächster Kunde.
    Als Sohn eines Totengräbers war Heinrich Sahl mit der Verachtung und Feindseligkeit seiner Umwelt aufgewachsen. Aus dem stillen Jungen war ein in sich gekehrter, scheuer Mensch geworden, der seit seiner Kindheit unter tiefer Schwermut litt. Seit vielen Jahren war er dem Alkohol ergeben, und nach dem Tod seiner Frau, die er vor zwei Jahren an die Pest verloren hatte, war seine Trunksucht noch stärker geworden.
    Das war auch der Grund, warum er bei diesem Unwetter noch um die Häuser strich. Sein Weinvorrat war zur Neige gegangen, und er hatte sich bei einem Weinhändler an der alten Bornheimer Pforte einen schweren Krug säuerlichen Frankfurter Weißweins geholt, den er nun sorgsam unter seiner regennassen Kutte verbarg. Die heftigen Sturmböen peitschten ihm eisige Regengüsse ins Gesicht, und die Kapuze hing ihm vor den Augen, so dass er kaum noch etwas erkennen konnte. Endlich war er vor der Peterskirche angelangt und trat durch die hinter der Kirche gelegene Friedhofspforte auf den Gottesacker. Er ging ein ganzes Stück an der hohen Friedhofsmauer entlang, die verhindern sollte, dass herumstreunende Tiere die eben verscharrten Leichen ausgruben und auffraßen, bis er vor dem Bahrhaus am Südende des Peterskirchhofs angelangt war. Dies war sein Reich, hier bewahrte Sahl Totenbretter und Arbeitsutensilien auf und bewohnte eine kleine Kammer. Unter dem Vordach des Bahrhauses flackerte das Licht der Totenleuchte, eine Öllampe in einem steinernen Pfeiler, der dem hageren Totengräber bis zur Brust reichte. Das ewige Licht als Zeichen der Fürbitte für die armen Seelen.
    »Sapperlot, was für eine Nacht!« Keuchend und völlig durchnässt betrat Heinrich Sahl seine dunkle Behausung und stellte den Weinkrug behutsam auf

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