Das Geheimnis des Goldmachers
in der Tür zu den
Quartieren stand. Einige Augenblicke noch konnte sie sich aufrecht halten,
lange genug, um von jedem gesehen zu werden, dann sackte sie in sich zusammen.
Und mit ihr das Lügengebilde des Priors.
*
Kurz zuvor …
Schmerzen am ganzen
Körper ließen den Mann aus seinem tiefen Schlaf aufschrecken. Er schaute sich
seine Hände an – sie waren mit Ruß bedeckt und übersät von tiefen Rissen und
verkrustetem Blut. Er stöhnte laut auf, zumindest meinte er, laut aufzustöhnen,
denn tatsächlich hörte er nur ein permanentes, eindringliches Pfeifen, das alle
anderen Geräusche übertönte.
Was war nur geschehen?
Er brauchte eine Weile,
bis die Erinnerungen zurückkamen.
Wie bitter sie waren, riefen sie
ihm doch ins Gedächtnis zurück, wie schändlich er von einer ihm nahestehenden
und hoch geschätzten Person hintergangen wurde.
»Georg, du verdammter Lump, wie
konntest du nur!«
Schau an, dachte er
sich, als er durch das nach wie vor dominante Pfeifen hindurch seine eigene
Stimme hören konnte.
Die Taubheit ist also nicht von
Dauer, dem Herrn sei Dank!
Doch wieso war niemand bei ihm in
der Kammer? Nach allem, was vorgefallen war, konnten sie ihn unmöglich
unbewacht lassen.
Er schaute an sich hinunter und
revidierte seine Meinung – so zerlumpt und zerrissen, wie er derzeit aussah,
konnte man nicht davon ausgehen, dass noch viel Leben in ihm war. Vermutlich
dachten seine Bewacher, er würde nie mehr die Augen öffnen.
Draußen hörte er erregte Stimmen
aufeinander einreden, unter anderem auch die von Georg. Mit zitternden Beinen
schlich er Schritt um Schritt ins Licht, hinaus in den Klostergarten. Er
spürte, dass sein Erscheinen dort nicht allein für sein Überleben von
Wichtigkeit wäre, also kämpfte er gegen die verführerische Ohnmacht an, die ihn
von seinen Schmerzen erlösen würde. Mit letzter Kraft stieß er die Pforte zum
Garten auf. Vor ihm, unter der sengenden Nachmittagssonne, schien sich ganz
Hildesheim in Mattias’ Reich versammelt zu haben. Noch hatte ihn niemand
bemerkt, alle Augen starrten auf Georg, der ihn soeben lauthals für tot erklärt
hatte.
Zuerst wollte ihm seine Stimme
nicht gehorchen, doch schließlich verließen seine Kehle doch noch einige Worte,
die laut genug waren, die Aufmerksamkeit der anderen zu erregen. Nun, alle
Augen auf sich gerichtet, war seine Mission erfüllt. Und so gab Albert von
Lauingen dem verlockenden Drängen seines Körpers nach und brach auf der Stelle
zusammen.
*
»Mein Gott, Albert!
Ist es denn möglich?«
Gustav, der älteste Ordensbruder
des Klosters, hatte als Erster seine Sprache wiedergefunden, vielleicht auch,
weil er in seinem langen Leben schon reichlich Ungeheuerliches erlebt hatte.
Die meisten anderen sperrten nur ungläubig ihre Münder auf und hielten
Maulaffen feil. Ganz anders Georg und seine zwei Helfershelfer, diese legten
plötzlich eine enorme Lebhaftigkeit an den Tag. Rasch lösten sie sich aus dem
Pulk und hatten schon beinahe die große Klosterpforte erreicht, als von
Stenweden gerade noch rechtzeitig ein Zeichen gab, die drei festzuhalten.
Die Dominikaner indessen waren
unschlüssig, was sie von alldem zu halten hatten. Manch einer von ihnen meinte
immer noch, sich verhört zu haben, als der ehrwürdige und über alle Zweifel
erhabene Bruder Albert den ebenso ehrwürdigen und ebenso über alle Zweifel
erhabenen Bruder Georg einen Lügner schimpfte. Jedem jedoch war klar, dass der
Prior zumindest in einem Punkt ganz gewaltig irrte: Wenn auch dem Tode näher
als dem Leben, so war Albert doch ganz gewiss nicht von den beiden Fremden
gemeuchelt worden.
Nun, da alles und jeder infrage
stand, löste sich die feindselige Stimmung, die die Gesellschaft im
Klostergarten kurz zuvor noch in zwei klar definierte Lager gespalten hatte.
Nach kurzer Rücksprache mit von Stenweden rückte zuerst die Leibgarde des
Bischofs ab, danach verließen die Männer der Stadtwache mit ihren drei
Gefangenen und den beiden Fremden unbehelligt von den Dominikanern das Kloster.
Freitag, der achtundzwanzigste
Juli
vormittags
Abschied
Viel Wasser
war inzwischen die Innerste hinabgeflossen, als es gute zwei Wochen später
hieß, Lebewohl zu sagen.
Mittlerweile waren der Prior und
zwei seiner Handlanger einem Kirchentribunal überantwortet worden, was den
dreien keineswegs zum Vorteil gereichen sollte, denn die Geistlichen pflegten
über ihre
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