Das Geheimnis des Goldmachers
ihn nicht wieder enttäuschen.
*
Es folgte meine
bislang bitterste Aufgabe.
Jonas offen ins Gesicht zu sagen,
dass ich das Kloster Knechtsteden für immer verlassen würde, sah ich mich
schlichtweg außer Stande. So also setzte ich mich ans Pult und begann das Kunststück,
ihm in einem Brief einerseits die ganze Wahrheit mitzuteilen, denn nichts als
die Wahrheit war ich ihm schuldig, und andererseits voller Zuversicht eine
baldige Rückkehr zu versichern, obwohl ich nur zu gut wusste, dass nur wenige
von den Kreuzzügen zurückkehrten. Freilich, einige mochten im fernen Afrika ihr
Glück gefunden haben, die meisten jedoch starben jämmerlich, obwohl
kampferprobt und wohlgerüstet. Wie nur sollte es da einer Schar Kinder ergehen?
Dennoch, mein Entschluss stand
fest, und ich war, zumindest seinerzeit, auch bereit, an Wunder zu glauben.
Schnell packte ich meine wenigen
Habseligkeiten beisammen, als da waren ein Leinentuch, eine zweite Kutte und
allerlei Schreibgerät, stibitzte mir aus der Küche noch zwei Kanten Brot und
einige Gartenfrüchte, wickelte alles ins Tuch und machte mich sodann
klammheimlich auf den Weg.
Es war eine laue Aprilnacht, als
ich einen letzten Blick zurück auf jenen Ort warf, der bislang mein Heim
gewesen war. Deutlich zeichnete sich im Mondlicht der eindrucksvolle Westchor
ab, und noch heute erinnere ich mich mit Freude an die imposanten Wandmalereien
in seinem Inneren und auch der, Ihr werdet es kaum für möglich halten, links
und rechts der hohen Fenster auf die Wand gemalten Vorhänge, die schon so manchen
Besucher auf den ersten Blick zu narren vermochten. Den dahinterliegenden,
achteckigen Turm und die Dächer der Basilika konnte ich gerade noch erkennen,
der Rest entschwand allmählich meinen Blicken. Als ich schließlich nach vorn
schaute, glitzerte weit voraus der Rhein im Sternenlicht. Dem Verlauf des
Wassers in südlicher Richtung zu folgen war der sicherste Weg, Cölln nachts
nicht zu verfehlen, und so sollte auch ich die zehn Meilen von Dormagen nach
Cölln hin bis zum Morgengrauen bewältigen können.
Hinter mir entschwand das Kloster
im Dunkeln.
Nie mehr sollte ich mein Heim
wiedersehen.
Cölln
Mir stockte
der Atem.
Die Pracht rings um mich herum war
überwältigend. Ich betrat eine andere Welt, als ich mit dem ersten Hahnenschrei
das mächtige Stadttor passierte und erblickte, was jene gewaltige Mauer zu
schützen wusste.
Cölln – die größte Stadt der Welt
– wer noch mochte Zweifel daran hegen angesichts dieser grandiosen Herrlichkeit
allüberall?
Spektakulär, einzigartig,
atemberaubend und Ziel aller Pilger des alten Kontinents.
Nun war ich mit meinen damals
zwölf Lenzen noch nie über Dormagen hinausgekommen, umso verständlicher also
meine Entrückung, als ich durch die breiten Gassen schlenderte, mein Maul
sperrangelweit offen und den knurrenden Magen völlig vergessend.
Gerade krochen die ersten
Sonnenstrahlen über die Stadtmauern, doch es wimmelte bereits von lauter
Menschen: Händler, die auf einem Ochsenkarren thronend ihre Ware zu einem jener
vielen Märkte bugsierten, für die Cölln auch gerühmt wurde, Handwerker jedweder
Couleur, deren Kleidung Stand und Gewerbe kundtat, allüberall Geistliche sowie
Binnenschiffer und jede Menge Kaufleute.
Alle, bis auf die auswärtigen
Seeleute, wirkten ein gutes Deut feiner und wohlbeleibter als die Bürger
Dormagens, also als jene Menschen außerhalb der Klostermauern eben, mit denen
ich es bisher zu tun bekommen hatte. Und sogar die zahlreichen Kleriker
schienen es sich gut gehen zu lassen, denn wie ich zu meinem großen Unwillen
erkennen musste, umspannte nicht selten feinstes Tuch deren pralle Bäuche.
Doch all die Bürger und Reisenden
auf den Straßen Cöllns verloren sich in der Masse der Kinder, die in der Stadt
wimmelten. Nikolaus von Cölln schien tatsächlich bereits ein Wunder vollbracht
zu haben, betrachtete man die Zahl derer, die ihm zu folgen gedachten. Sie alle
strebten gemeinsam einer Kirche zu. Es musste sich bei diesem Gotteshaus um den
Dom zu Cölln handeln, jenem geweihten Ort also, an dem die Gebeine der Heiligen
Drei Könige ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten.
Ohne zu zögern schloss ich mich
dem Menschenstrom an, denn ich wollte und durfte nichts missen. Dieser Knabe,
von dem ich bisher nur den Namen kannte, jener Nikolaus also, er konnte nur von
Gott höchstselbst gesandt sein. Wie sonst hätte ein Kind Derartiges
Weitere Kostenlose Bücher