Das Geheimnis des Moguls
brauchte? Wieder sah sie seinen ernsten Blick vor sich, als er um ihre Hand anhielt. Er hatte keine Sekunde gezögert. Er war mit all seiner Sicherheit auf sie zugegangen, die er schon in jener Nacht im Eastern Hotel ausgestrahlt hatte. Sie könnte doch lernen, sich darauf zu verlassen.
Heirate mich!
Aber sie war verrückt, wenn sie ein Ja in Betracht zog. Verrückter als er. Hatte sie allerdings eine bessere Alternative für ihr Baby? Wie sonst konnte sie ihrem Kind die Stabilität und Sicherheit geben, die es verdiente?
Sie starrte auf die Eintrittskarte. Was war schon dabei? Was hatte sie denn zu verlieren?
Ihr Magen knurrte, während sie Ethans Zettel noch einmal las. Zum ersten Mal seit Tagen hatte sie tatsächlich Hunger. Ein Burger mit Käse und Speck klang jetzt verlockend. Und dieses Mal musste sie nicht rechnen, ob sie sich eine Extraportion Pommes leisten konnte.
Ethan verbot sich selbst, noch einmal auf die Uhr zu sehen. Entweder tauchte sie auf oder eben nicht.
Die Musiker begannen, ihre Instrumente einzuspielen. Ethan klopfte mit dem Programmheft gegen seine Armlehne und wünschte, dass er in der Loge auf und ab gehen könnte.
Er stand auf – besser als nichts. Er schob eine Manschette hoch, bevor er sich daran erinnerte, dass er ja gar nicht auf die Uhr sehen wollte.
Da öffnete sich die Tür. Einen Moment lang sah er nur Umrisse. Dann streckte sich zögerlich eine Hand nach ihm aus – helle Haut mit perfekt lackierten roten Nägeln. Bei dem Anblick lief ihm ein wohliger Schauer über seinen Rücken. Sloane glitt herein, ein schwindelerregender Gegensatz aus Erwachsensein und Unschuld, eingehüllt in eine bescheidene kobaltblaue Robe.
Er murmelte ihren Namen, unfähig zu mehr.
Sie warf einen Blick auf die vielen Stühle in der Loge und fragte mit gerunzelter Stirn: „Wer kommt denn noch?“
„Niemand“, antwortete er. „Die Loge gehört uns heute Abend alleine.“
Sie errötete und sah nervös zur Seite. Das überraschte ihn. Sie hatte sich entschieden zu kommen, und sie wusste doch, wozu er fähig war, wozu sie beide fähig waren.
Es gab so viel zu entdecken mit dieser Frau. An dieser Frau. An sich selbst – mit ihr. Diese Vorstellung fand er seltsam erregend. In der Hoffnung, etwas von ihrer Anspannung zu nehmen, sagte er: „Schön, dass du hier bist.“
Und er fand es wirklich schön.
Ihre Haare waren hochgesteckt, der Hals wirkte lang und verletzlich. Es juckte ihn in den Fingern, den V-Ausschnitt ihres Kleides nachzufahren. Stattdessen wies er nur auf den besten Platz der Loge.
Als sie nach vorne trat, sah er, dass die Vorderseite ihres Kleides täuschte. Hinten war es tief ausgeschnitten und ließ einen freien Blick auf ihren Rücken zu. Dieser perfekte Körper elektrisierte ihn. Sie nahm grazil Platz, sich ihrer Wirkung offensichtlich nicht bewusst.
Sloane hatte zwar gewusst, dass Ethan einen Anzug tragen würde. Trotzdem versetzte seine formelle Kleidung sie sofort zurück in jene Nacht im Eastern. Sie sah seine gelockerte Krawatte vor sich, die offenen Hemd- und Manschettenknöpfe, seine muskulösen Unterarme.
Aber heute Abend ging es nicht darum. Das war nicht der Grund, warum sie zugesagt hatte, ihn heute hier im Kennedy Center zu treffen. Sie musste sich wieder an ihr Ziel erinnern: Ihr Baby brauchte ärztliche Versorgung, Sicherheit – alles Dinge, für die sie alleine nicht gut genug sorgen konnte.
Sloane war nun froh, dass sie sich die Zeit genommen hatte, ihre Haare hochzustecken und sich die Nägel zu lackieren. Und sie war begeistert, dass sie immer noch in dieses prächtige Kleid passte, das sie vor Jahren in Chicago gefunden hatte.
Im Kennedy Center war sie noch nie zuvor gewesen. Sie kannte es nur aus dem Fernsehen. Mit dem dicken roten Teppich unter ihren Füßen fühlte sie sich wie eine Prinzessin. Die Goldtupfen auf den Leuchten spiegelten das Blond von Ethans Haaren wider und betonten seine wilden Strähnen, mit denen er ein bisschen wie ein unartiger Junge wirkte. Sie blinzelte und stellte sich vor, wie er ihren Namen flüsterte.
Plötzlich überkam sie Verlangen. Glücklicherweise gingen gerade die Lichter aus. Sie atmete die kühle Luft tief ein und lehnte sich zurück. Dann befahl sie sich, die unglaubliche Kraft zu vergessen, die von dem Mann neben ihr ausging.
Der Vorhang hob sich.
Die Musik und der Tanz entführten sie in eine andere Welt. Sie wurde ganz von Sehnsucht erfüllt, als Prinz Siegfried gegen seine Zwangsheirat rebellierte
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