Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)
Suppe. Gebratene Ratte ist auch in Birma keine Spezialität, aber oft das Einzige, was der nicht vorhandene Kühlschrank hergibt. In Polen nimmt man etwas später ein zweites Frühstück ein. Und in den USA gibt es einen leckeren Pfannkuchen mit viel Sirup, anschließend ca. 30 Eier mit weißem, nährstofffreiem Brot und viel Speck, der nicht durchwachsen ist, sondern komplett aus Fett besteht. In Amerika isst man so früh, wie es geht, so vitaminfrei wie möglich, um den Kalorienbedarf des Tages bereits gegen 7:30 Uhr (a.m.!) zu überschreiten. Dann kann man den Rest des Tages damit verbringen, Fettreserven aufzubauen. Man weiß nie, ob einmal der Strom ausfällt oder eine Kältewelle hereinbricht. Dann kann man sich den Neoprenanzug sparen und sich stattdessen schildkrötenartig in die eigene Körpermasse zurückziehen, wenn es draußen kalt wird.
In den USA darf man einen Menschen dennoch nie als „dick“ bezeichnen. Er wird wegen psychischer Folgeerkrankungen Schadenersatz einklagen, auf einer Zahlung von 40 Millionen bestehen und sich dann wundern, dass ein Europäer für so etwas keine Versicherung besitzt.
Auch ein richtig dicker Mensch, ein Fettsack vor dem Herrn, ein gigantischer Fleischkloß, der den ganzen Tag Marshmallows und Schokoriegel in sich hineinstopft, als wenn es kein Ende gäbe, gilt dort als vom Schicksal (und der Industrie!) gebeutelter Gewichtsbenachteiligter.
Wie wir alle wissen, ist kein Kraut gewachsen gegen die willensstarke dritte Tafel Schokolade des Tages, die unbedingt gegessen werden möchte und sich auf hinterhältigste Art und Weise durchsetzt. Wie soll man auch siegen gegen den inneren Schweinehund, der, wie sein Name es bereits andeutet, im Inneren wohnt, also im eigenen Ich! Eine diabolische Kampftaktik!
Wenn die genetische Veranlagung das unmäßige Einführen aller genieß- und ungenießbaren Stoffe in die Speiseröhre vorsieht, ist jeder Widerstand zwecklos. Natürlich kann man nun einwenden, dass Essen ein körperlicher Akt ist, der eine Willensentscheidung voraussetzt. Aber der freie Wille ist ja auch ein philosophisches Problem.
Gibt es überhaupt ein Ich? Oder ist unser ganzes Denken nur das Ergebnis körperlicher Abläufe, also bloße Simulation von Freiheit? Als Benjamin Libet sein berühmtes Experiment startete, an deren Ende nicht weniger als eine Revolution der Hirnforschung stand, nämlich die Erkenntnis, dass der Mensch erst handelt und das Hirn dann – im Nachhinein – rationale Begründungen für sein Tun generiert, hatte er wahrscheinlich gerade selbst die dritte Packung „Edle Tropfen in Nuss“ in sich hineingestopft. Schokolade ist Geistesnahrung, legt sich aber nachts zum Ruhen auf die Hüfte!
Wenn der freie Wille Illusion ist, die Welt zudem aus Teilchen besteht, die physikalisch und chemisch aufeinander reagieren, liegt der Verdacht nahe, dass alles bereits vorherbestimmt ist. Die Teilchenreaktionen sind in ihrer chaotischen Vielfalt für uns zwar nicht vorherzusagen, liegen aber im Grunde schon fest, da die Ursachen der Zukunft in der Jetztzeit liegen und nicht mehr veränderbar sind. Der Rest ist Abfolge von Aktion und Reaktion. Man könnte also, vorausgesetzt, es gäbe einen extrem leistungsfähigen Computer von der Größe mehrerer Sonnenmassen, jetzt schon ausrechnen, wer 2078 Rheinland-Pfälzischer Meister im Rhönradfahren wird. Einen solchen Computer gibt es nicht, schon weil niemand bereit wäre, etwas so Gigantisches zu planen, nur um die Rhönradergebnisse des Jahres 2078 zu erfahren. Nicht einmal die Bundesligaergebnisse der Jahre 2088 bis 2327 würden eine solche Investition rechtfertigen, es sei denn, man ist Besitzer eines Wettbüros. Und selbst die Lottozahlen vom nächsten Wochenende würden den Aufwand nicht wieder einspielen, auch wenn der Jackpot winkt.
An dieser Stelle werden amtliche Physiker Einwände erheben. Der Determinismus ist überholt! Was für ein Satz! Er macht auf jeder Party Eindruck – zumindest wenn Volljährige anwesend sind.
Tatsache ist: Der Determinismus missachtet die Quantentheorie, die besagt, dass eine genaue Berechnung von Raum und Zeit in der Zukunft schon deshalb nicht möglich ist, weil aufgrund der Quantenunschärfe niemals Ort und Zeit eines Teilchens genau festgestellt werden können. Will man die Zeitmessung verschärfen, verschwimmt der Ort und umgekehrt. Es wäre also selbst mit einem Computer, dessen Größe ein ganzes Paralleluniversum füllen würde, nicht möglich, die Zukunft
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