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Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Capp
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Prolog
    Als der letzte Abendzug den Bahnhof von Wombat Hill verlässt, bleibt eine in Schwarz gekleidete Frau wie eine einsame Bühnenfigur auf dem Bahnsteig zurück. Einen Augenblick lang scheint sie verwirrt zu sein. Ist sie am falschen Bahnhof ausgestiegen? Mit einem Seufzer, der wie ein leises Echo des fauchend davonfahrenden Zuges klingt, bewegt sie sich auf den Stationsvorsteher zu, der mit ausgestreckter Hand wartet. Er lüftet seinen Hut und murmelt »Guten Abend«, aber die Frau sieht ihn nicht an, als sie ihm ihre Fahrkarte gibt und in der Straße hinter dem Bahnhof verschwindet. Mit der Fahrkarte in der Hand sieht der Stationsvorsteher ihr hinterher: dieser verschleierten Fremden, dieser Frau in Trauerkleidung, die zu später Stunde allein angekommen ist und von keinem abgeholt wurde.
    Die Frau geht eilenden Schritts die Hauptstraße entlang und weicht dabei den gelben Lichtkegeln der Gaslampen aus. Sie spürt den sich an ihren Rücken heftenden Blick des Stationsvorstehers und vermag fast die Gedanken zu hören, die ihm durch den Kopf gehen. Und sie ist sich bewusst, dass die Nachricht sich bis morgen früh wie ein über das Land huschender Wolkenschatten verbreitet haben wird. Jemma Musk ist zurück .
    Jemma hält inne, um die schlafende Stadt zu betrachten. Die planlose Ansammlung von Häusern, öffentlichen Einrichtungen und Geschäften, die im Zuge des Goldrauschs entstand, scheint jetzt endgültig Gestalt angenommen zu haben, als wäre sie aus derselben Erschütterung hervorgegangen, die auch den Berg schuf, auf dem sie ruht. Für Jemma jedoch könnte sie ebenso gut eine Geisterstadt sein, ein Ort, heimgesucht von der Vergangenheit. Sie muss an die in Windeseile verstreichenden Jahre denken, die Menschen, die kommen und gehen werden, und die stille Gleichgültigkeit der Gebäude, die alle ihre Bewohner überdauern werden.
    Während ihre Schritte auf ihrem Weg durch diese von Erinnerungen gezeichnete Landschaft durch die Nacht hallen, fragt sie sich, was sie hier sucht. Sie macht einen Bogen um Manotti & Curle’s Sprudelwasser für den Fall, dass Celestina noch zu so später Stunde im Tearoom weilt, schafft es aber nicht, einfach so an dem Laden vorbeizugehen, wo Gotardo in jenen schmerzerfüllten Monaten vor ihrer Flucht als Schuhmacher arbeitete. Sie späht durchs Fenster und sucht nach seiner Werkbank und den Werkzeugen, muss jedoch feststellen, dass aus dem Laden inzwischen ein Büro von Cobb & Co. geworden ist. Plötzlich fühlt sie sich weniger von der Vergangenheit als von der Gegenwart bedroht, der Möglichkeit, ihre Erwartungen enttäuscht zu sehen, erfahren zu müssen, dass Gotardo nicht mehr in dieser Stadt lebt. Dass auch er weggegangen ist.
    Es ist inzwischen zu kalt geworden, um länger draußen zu verweilen. Jemma hat ganz vergessen, wie stark nachts die Temperatur fällt. Sie verflucht den dünnen Stoff ihres Taftrocks und ihres Mieders und die zwar hübsche, aber nutzlose Jacke. Warum hat sie keinen Mantel mitgebracht? Sie zieht ihren Wollschal enger um die Schultern und eilt, begleitet vom Funkeln der Milchstraße über ihr, aus der Stadt hinaus den Hang hinunter.
    Als das Bauernhaus endlich auftaucht – in dessen Innerem eine Lampe brennt –, schiebt sich eine geisterhafte kleine Hand in ihre und führt sie durchs Tor und an der Pergola vorbei den Weg hinauf. Jemma bildet sich ein, Fetzen eines Liedes zu hören, und ein hohes Stimmchen, das sagt: Sieh doch, Mama!
    Und als Jemma sich am Verandapfosten festhält, ehe sie ihre Hand ausstreckt, um an der Tür anzuklopfen, reißt das Gewebe der Nacht und bringt eine verlorene Zeit zum Vorschein.

Teil I

1
    Eines heißen Januartages im Jahre 1868 wandert Jemma Musk zur Mittagsstunde mit ihrem Skizzenblock durch den zerklüfteten Wald von Hepburn und stößt dabei auf eine Familie, die sich auf dem Bergkamm zu einem Picknick niedergelassen hat. Sie stellt ein hübsches Tableau dar – eine adrett gekleidete Frau unter einem Sonnenschirm, ihr Ehemann, eine gepflegte Erscheinung mit Zylinder, und ihre kleine Tochter im sonntäglichen Rüschenkleid. Im sengenden Mittagslicht sehen sie unwirklich aus wie Scherenschnitte.
    Sie versichern ihr, keine Einwände zu haben, von ihr gemalt zu werden, solange es ihr nichts ausmache, wenn sie sich gelegentlich bewegten. Jemma lehnt sich gegen den sirupfarbenen Stamm eines Eukalyptusbaums und lässt ihre Hand über das Blatt wandern. Dabei denkt sie nicht an das, was sie tut, weiß nur, dass sie das

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