Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman
weiß ich noch. Häschen af blot mit ville de rossen un ville de sevens und … was für ein Mist, alles ist falsch, borleif , was soll ich bloß tun?«
Pechrabe Lulu hatte alles vermasselt. Keine Nachricht für Graviata, keine Rettung vor dem Unglück, alles aus. Sie würde einfach hier auf dem Waldboden sitzen und in die verzweifelten Gesichter der Gobblings starren. Einfach nur starren, bis Graviata heimkam oder bis die Sterne verblassten oder bis sie tot umfiel oder bis …
Da war ein Rauschen, ein Flattern, schwarze Flügel streiften ihr Gesicht, eine Krähe ließ sich auf ihrer Schulter nieder. Und im selben Augenblick war Jovindas geheimnisvoller Text wieder da, klar und deutlich, Wort für Wort, Silbe für Silbe mit allem Drum und Dran, mit häuscher af busch und rossen und seven af seven , mit san und sude und blot , mit allem.
»Danke, Corina!«, rief Lulu, als die Krähe aufflog und sich zu ihren Genossen gesellte. »Krah!«, riefen die Krähen. Und nun schritt Lulu energisch, doch gelassen durch den Bann.
Es war fast Nacht geworden, Rafaela hatte im Wintergarten schon die Lampen angezündet. Leise Musik und Gelächter wehten aus den weit geöffneten Türen über den Vorplatz. Die Tiere bemerkten Lulus Ankunft als Erste und kamen ihr entgegengerannt. Vorneweg, wie immer, Captain Sabber, Graviatas mächtiger Boxer, gefolgt vom Traurigen Ralf, einem Waschbären, der eigentlich Damiano gehörte, Lulus großem Bruder. Früher hatte der Traurige Ralf einfach Ralf geheißen, aber dann war Damiano fortgegangen und aus Ralf war der Traurige Ralf geworden. Über den beiden flatterte Kralle, Rafaelas Papagei, und das Schlusslicht bildete, betont gelangweilt, Murks, der Kater, der niemandem gehörte.
Captain Sabber bellte einmal tief und grollend, schüttelte die tausend Falten in seinem Gesicht und verspritzte weiße Sabberflöckchen. Der Traurige Ralf schaute traurig aus seinen schwarz geränderten Augen und seufzte wie immer. Kralle umklammerte die oberste Sprosse des Gartenzauns und zeigte seine Riesenwelle.
Lulu klopfte sich Sabbers Spuckeflöckchen von den Kleidern und ging zum Haus. Ihr kleiner Bruder saß auf der Treppe zum Wintergarten und drückte sich ein Cremetörtchen in den Mund.
»Bumbum«, sagte er und hielt Lulu das zermatschte Teil entgegen. Sie setzte sich neben ihn und ließ sich füttern. Der Kleine liebte verteilte Rollen, normalerweise war er es, der gefüttert wurde. Lulu liebte Cremetörtchen.
»Besuch?«, fragte sie mit vollem Mund, obwohl es offensichtlich war. Männliche Stimmen drangen aus dem Haus, junge männliche Stimmen, und Rafaela kicherte. Das tat sie selten. Eigentlich nur, wenn sie Besuch hatte.
»Bumbum«, nickte Bumbum. Er war schon bald drei Jahre alt, aber er sagte nie etwas anderes als »Bumbum.« Rafaela meinte, man müsse langsam anfangen, sich Sorgen zu machen, aber Graviata hatte nur gelacht und behauptet, Bumbums Ein-Wort-für-alles-Methode sei ein Zeichen für besonders hohe Intelligenz, wenn nicht gar für Genialität. Lulu fand das auch. Sie verstand Bumbum immer und er sie ebenfalls.
»Sehen wir mal nach, was die da oben treiben«, schlug sie vor.
Gemeinsam mit den Gobblings erklommen sie die Stufen zum Wintergarten. Rafaela, auf der Couch zwischen zwei jungen Männern, hatte sich fein gemacht. Sie trug ihr bestes Kleid, das rote, und passend dazu ein Band im Haar. Die beiden Besucher waren Arminio und sein Bruder Clementio, Söhne einer befreundeten Hexe, die zweitausend Schritt weiter westwärts wohnte. Rafalea hielt ein Sprechendes Buch auf den Knien. Alle drei steckten die Köpfe zusammen und sahen sich eine Folge von »Serafia und der König« an. Süßliche Musik und der Duft von Serafias schwerem Parfüm erfüllten den Raum.
»Du meine Güte, wie schaust du denn aus?«, rief Rafaela, als sie ihre kleine Schwester bemerkte. Schnell klappte sie das Buch zu, um nichts von der Handlung zu verpassen. Sofort verstummte die Musik.
»Was meinst du? Wie schau ich denn aus?«, fragte Lulu erschrocken und erwartete etwas zu hören wie: »Grün. Du hast einen total kränklich grünen Schein!«
»Dreckig«, sagte Rafaela.
»Schmuddelig«, sagte Arminio.
»Wie ein gerupfter Rabe«, sagte Clementio und fuhr sich mit gespreizten Fingern durch seine blonden Haare, damit sie abstanden wie Lulus.
»Sonst noch was?«, fragte Lulu.
»Frag mich morgen, dann mach ich dir eine Liste«, blaffte Rafaela. »Dein Abendessen steht in der Küche. Außerdem bist du heute
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