Das Geheimnis des Templers - Episode V: Tödlicher Verrat (German Edition)
bekommt.“
Warda hatte auf Gero achtgegeben, als ob er ihr Augapfel wäre, und als er nach Stunden des bangen Wartens das erste Mal zu sich kam, fieberte er. Er benötigte viel Flüssigkeit, die sie nicht hatten. Die Wasserrationen waren so knapp, dass kaum mehr als ein Becher für jeden pro Tag zur Verfügung stand.
„Gib ihm meinen Anteil“, sagte Struan wie selbstverständlich, obwohl er doch auch den ganzen Tag am Ruder saß. Als der Wind noch frischer wurde und sie schneller vorankamen, hockte er sich zu Warda und Gero und versuchte sein Fieber mit nassen Lappen zu senken. Pausenlos wechselten sie sich bei der Versorgung ab. Die ganze Nacht über legten sie Gero in feuchte Tücher, und am Morgen des dritten Tages war das Fieber ein wenig zurückgegangen und er kam nun öfters zu sich, so dass sie ihm etwas zu trinken einflößen konnte. Doch die zackenförmige Wunde an der Schulter hatte sich bereits eitrig entzündet.
Als nach vier Tagen der Überfahrt endlich die Küste von Zypern in Sicht kam, erschien es Warda wie ein Wunder, dass sie den Überfall als Einzige überlebt hatten. Ausgedörrt, hungrig, durstig und völlig erschöpft gingen sie in Famagusta an Land. Dort wurden sie am Hafen vom Komtur des Gewölbes zunächst mit allem versorgt, was sie benötigten. Er hatte dem Ordenshaus in Famagusta umgehend Meldung gemacht und auf der Stelle Boten entsandt, die das grausame Geschehen auf Antarados der Ordensleitung in Limassol und Nikosia meldeten.
Auf einer Bank vor dem Haus des Hafenmeisters sitzend, beobachtete Warda, immer noch zitternd und in eine Decke gehüllt, die ihr ein braungewandeter Templer gegeben hatte, wie Gero von Brüdern des Hospitals auf einer Trage abtransportiert wurde.
„Wo bringen sie ihn hin?“, fragte sie Struan besorgt.
„Ins Hospital des Ordenshauses von Famagusta“, antwortete er und blickte Gero abwesend nach.
„Denkst du, ich kann ihn dort besuchen?“ Hoffnungsvoll schaute sie zu dem riesenhaften Schotten hoch, der noch ein Stück größer als Gero war.
Er kniff die Lippen zusammen und schüttelte zweifelnd den Kopf.
„Frauen dürfen da leider nicht rein“, brummte er. „Nicht einmal, wenn sie Wäscherinnen sind“, fügte er hinzu und nahm ihr damit jegliche Hoffnung, über Geros Gesundheitszustand weiterhin unterrichtet zu bleiben.
„Glaubst du, dass sie ihn dort wieder gesund machen werden?“, fragte sie mit gesenktem Blick.
„Ich weiß es nicht“, antwortete der Schotte ehrlich. „Es hat ihn ziemlich schwer erwischt. Wobei das Schlimmste nicht die Wunde ist, sondern der Eiter, der sich darin gebildet hat.“
Warda nickte und schluckte bei der Erkenntnis, dass sie Gero womöglich nie wiedersehen würde.
„Wir müssen zu Heiligen Jungfrau beten“, riet Struan ihr leise.
„Ja, das ist wohl das Beste“, erwiderte sie mit einem tapferen Lächeln und verabschiedete sich von dem Schotten mit einem Nicken.
„Ihr müsst der Ordensleitung erzählen, was Bruder Hugo den Menschen auf Antarados getan hat“, erinnerte sie ihn.
„Worauf du dich verlassen kannst“, knurrte Struan mit seiner düsteren Stimme.
„Leb wohl“, sagte sie zu ihm und schaute ihm in die nachtschwarzen Augen. Auch wenn er bei genauem Hinsehen ein schöner Mann war, mit seiner riesenhaften Gestalt und dem schwarzen Bart sah er im Augenblick wirklich zum Fürchten aus.
„Leb wohl, Maria“, erwiderte er, und ein seltenes Lächeln umspielte seine Lippen. „Du warst sehr tapfer. Dass du Gero von Hugos Verfehlungen erzählt hast und er durch dich von diesen Katakomben wusste, hat uns allen das Leben gerettet. Dafür sind dir meine Brüder und ich zu tiefem Dank verpflichtet.“
Er weiß es nicht, dachte sie ein wenig enttäuscht. Gero hat ihm weder meinen wahren Namen genannt noch ihm verraten, dass uns mehr als eine flüchtige Bekanntschaft verbindet.
Vielleicht ist es besser so, dachte sie resigniert. Sie würde sich Gero aus dem Kopf schlagen müssen, ganz gleich, ob er wieder gesund würde oder am Fieber starb.
Dann drehte sie sich um und ging in Richtung Ordenshaus, wo sie um ihren restlichen Lohn oder zumindest um ein Almosen bitten wollte. In dem Bewusstsein, dass ihr – ganz gleich, was geschehen war – ohnehin nichts anderes übrigblieb, als in ihr altes Leben zurückzukehren.
»Das Geheimnis des Templers« wird abgeschlossen mit Episode VI - »Mitten ins Herz«
Personenregister
Familie:
Gero (Gerard) von Breydenbach – (geb. 25. März 1280 im Hessischen)
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