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Das Geheimnis des weißen Bandes

Das Geheimnis des weißen Bandes

Titel: Das Geheimnis des weißen Bandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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nicht in Boston ansässig waren. Das ermutigte mich, auch die Flat Cap Gang zur Sprache zu bringen. Ob er nicht einen Weg wüsste, um die Bande vor Gericht zu bringen, da die Polizei offenbar mit ihren Untersuchungen nicht vorankäme. Wäre es nicht möglich, sagte ich, eine ordentliche Belohnung für Informationen auszusetzen, die zu ihrer Ergreifung führten? Und sollte man nicht außerdem noch eine private Detektivagentur damit beauftragen, die Burschen zu stellen und zu verhaften? Auf diese Weise könnten wir den Tod von James Devoy rächen und sie zugleich für den Verlust der Gemälde bestrafen.
    Stillman reagierte begeistert auf meine Idee. »Sie haben recht, Carstairs!«, rief er aus und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Genau das werden wir tun. Ich werde diesen Mistkerlen zeigen, dass es eine ganz schlechte Idee war, Cornelius T. Stillman in die Quere zu kommen!« Das war nicht seine übliche Redeweise, aber wir hatten bereits eine Flasche exquisiten Bordeaux geleert und wollten uns gerade dem Port nähern, undso war er in einer deutlich entspannteren Laune als sonst. Er bestand sogar darauf, die Kosten für das Detektivbüro und die Belohnung allein zu übernehmen, obwohl ich angeboten hatte, ebenfalls einen angemessenen Beitrag zu leisten. Wir schüttelten uns die Hände darauf, und er schlug vor, ich sollte so lange bei ihm wohnen, bis alle diese Dinge geregelt waren, eine Einladung, die ich nur allzu gern annahm. Kunst ist nun einmal mein Lebenselixier, ich bin Händler und Sammler zugleich, und in Stillmans Sommerhaus gab es genug davon, um mich monatelang zu verzaubern.
    Aber die Dinge entwickelten sich weitaus schneller, als ich gedacht hatte. Mr. Stillman nahm Kontakt mit Pinkerton’s auf und engagierte einen Mann namens Bill McParland. Ich wurde nicht zu den Besprechungen hinzugezogen – Stillman war einer jener Menschen, die alles allein und auf ihre eigene Art machen müssen. Aber ich kannte Mr. McParlands Ruf gut genug, um zu wissen, dass er ein entschlossener Ermittler war, der nicht ruhen und rasten würde, ehe er die Flat Cap Gang dingfest gemacht hatte. Zur gleichen Zeit wurden Anzeigen im Boston Daily Advertiser veröffentlicht, die für Hinweise, die zur Ergreifung von Rourke und Keelan O’Donaghue und ihrer Komplizen führten, eine Belohnung von einhundert Dollar versprachen – eine beträchtliche Summe. Ich freute mich zu sehen, dass Mr. Stillman unter die Ankündigung nicht nur seinen, sondern auch meinen Namen hatte setzen lassen, obwohl das Geld ausschließlich von ihm kam.
    Die nächsten Wochen verbrachte ich in Shepherd’s Point und in Boston, einer erstaunlich schönen und schnell wachsenden Stadt. Ein paar Mal fuhr ich auch zurück nach New York und benutzte die Gelegenheit, das Metropolitan Museum of Art aufzusuchen, einen ziemlich misslungenen Bau, der allerdings eine vorzügliche Sammlung enthält. Ich besuchte auchMrs. Devoy und ihren Sohn. Tatsächlich hielt ich mich gerade in New York auf, als ich ein Telegramm von Mr. Stillman erhielt, der mich dringend nach Boston zurückrief. Die hohe Belohnung hatte ihr Ziel erreicht. McParland hatte einen Tipp erhalten, und das Netz um die Flat Cap Gang zog sich zu.
    Ich kehrte sofort zurück und nahm mir ein Zimmer in einem Hotel an der School Street. Und dort hörte ich dann am Abend von Mr. Stillman, was passiert war.
    Der Hinweis war vom Besitzer eines Dramshops – so nennen die Amerikaner eine Bar – im North End gekommen, einem eher ungesunden Stadtteil von Boston, wo viele irische Einwanderer leben. Die Donaghue-Zwillinge hatten sich in einem engen Mietshaus am Charles River verkrochen, einem dunklen, schmutzigen Gebäude mit drei Stockwerken, in dem sich Dutzende von Kammern zusammendrängten und wo es auf jedem Stockwerk nur einen Abort gab. Die Abwasserrinnen liefen durch die Korridore, und der Gestank wurde nur durch den Rauch der zahlreichen Holzkohlenöfen gemildert. Dieses Höllenloch war mit schreienden Babys, betrunkenen Männern und halbverrückten Frauen gefüllt, die pausenlos vor sich hin murmelten, aber im hinteren Teil gab es einen primitiven Anbau aus Brettern und Lehmziegeln, den die Zwillinge zu ihrer Wohnstatt gemacht hatten. Keelan hatte ein eigenes Zimmer. Rourke teilte sich einen etwas größeren Raum mit zwei von den Bandenmitgliedern. Die anderen hauste im dritten Raum.
    Das aus dem Zug gestohlene Geld war längst verspielt und versoffen. Als an diesem Abend die Sonne unterging, hockten sie um

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