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Das Geheimnis des weißen Bandes

Das Geheimnis des weißen Bandes

Titel: Das Geheimnis des weißen Bandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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durchgefragt hat, ja. Allerdings müsste man dann fragen, warum er ein ganzes Jahr gebraucht hat, um diese Reise zu machen, und was er für eine Absicht verfolgte, als er Sie zu einem Treffen in der Kirche St Mary einlud. Warum hat er Sie nicht einfach an Ort und Stelle erschossen, wenn das seine Absicht war? Aber fast noch rätselhafter ist der Umstand, dass er dann gar nicht erschienen ist.«
    »Er versucht, mich zu terrorisieren.«
    »Und das mit Erfolg.«
    »In der Tat.« Carstairs senkte den Kopf. »Wollen Sie damit sagen, dass Sie mir nicht helfen können, Mr. Holmes?«
    »Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sehe ich nicht, dass ich sehrviel für Sie tun kann. Wer immer Ihr ungebetener Besucher auch sein mag, er hat uns keinen Hinweis gegeben, wie wir ihn finden können. Sollte er allerdings wieder auftauchen, werde ich Ihnen gern helfen, so gut ich dazu in der Lage bin. Aber eins kann ich Ihnen jetzt schon sagen, Mr. Carstairs. Sie können Ihre Oper in Frieden genießen. Ich glaube nicht, dass er Ihnen Schaden zufügen will.«
    Doch da irrte Holmes. So jedenfalls erschien es am nächsten Tag. Denn da hatte der Mann mit der flachen Mütze erneut zugeschlagen.

3

Ridgeway Hall
    Das Telegramm traf am nächsten Morgen ein, als wir zusammen beim Frühstück saßen.
     
    O’DONAGHUE LETZTE NACHT ERNEUT GEKOMMEN. POLIZEI NACH EINBRUCH IN MEINEN SAFE BENACHRICHTIGT. KÖNNEN SIE KOMMEN? EDMUND CARSTAIRS
     
    »Na, was halten Sie davon, Watson?«, sagte Holmes und warf das Telegramm auf den Tisch.
    »Er scheint früher wieder aufgetaucht zu sein, als Sie gedacht haben«, erwiderte ich.
    »Keineswegs. Ich hatte so etwas erwartet. Von Anfang an hatte ich den Eindruck, dass der sogenannte Mann mit der flachen Mütze sich mehr für Ridgeway Hall interessiert als für dessen Besitzer.«
    »Sie haben einen Einbruch erwartet?«, stammelte ich. »Aber warum haben Sie Mr. Carstairs dann nicht gewarnt, Holmes? Zumindest hätten Sie ihn doch auf die Möglichkeit hinweisen müssen.«
    »Sie haben doch gehört, was ich gesagt habe, Watson. Ohne weitere Hinweise gab es nichts, was ich hätte tun können. Aber jetzt hat der unwillkommene Besucher uns großzügig weitergeholfen. Vielleicht hat er ein Fenster aufgebrochen. Wahrscheinlich ist er über den Rasen gekommen, hat in einem Blumenbeet gestanden und auf dem Teppich schlammige Fußabdrücke hinterlassen. Daraus können wir dann auf seine Größe, sein Gewicht, seinen Beruf und einige Besonderheiten seines Gangs und seiner Person schließen. Vielleicht ist er ja sogar so freundlich gewesen, irgendetwas fallen zu lassen oder am Ort der Tat zu vergessen. Wenn er Schmuck gestohlen hat, dann muss er den Schmuck auch wieder verkaufen. Und wenn es Geld war, dann wird er das irgendwo wieder ausgeben. Irgendeine Spur, der wir folgen können, hat er jetzt hinterlassen. Dürfte ich Sie um die Marmelade bitten? Züge nach Wimbledon gibt es genug. Ich gehe davon aus, dass Sie mitkommen?«
    »Natürlich, Holmes. Ich würde nichts lieber tun.«
    »Hervorragend. Manchmal frage ich mich, ob ich überhaupt noch die Energie hätte, eine neue Ermittlung anzufangen, wenn ich nicht sicher wäre, dass die Allgemeinheit früher oder später in allen Einzelheiten davon erfährt.«
    Ich war solche Frotzeleien inzwischen gewöhnt und nahm sie als Zeichen von guter Laune bei meinem Freund, deshalb reagierte ich gar nicht weiter darauf. Kurz darauf, als Holmes seine Morgenpfeife geraucht hatte, zogen wir unsere Mäntel an und verließen das Haus. Der Weg nach Wimbledon war nicht weit, und doch war es schon fast elf, als wir schließlich eintrafen, und ich fragte mich, ob Mr. Carstairs überhaupt noch mit uns rechnete.
    Mein erster Eindruck von Ridgeway Hall war sehr positiv. Es war ein absolutes Schmuckkästchen von einem Haus und passte gut zu einem Kunstsammler, der sicher viele unbezahlbare Kostbarkeiten in seinem Inneren ausgestellt hatte. Zwei Tore und eine kiesbestreute, hufeisenförmige Auffahrt führten zum Eingang und umschlossen dabei einen herrlichen Rasen. Die Tore, zwischen denen sich eine niedrige Mauer erstreckte, wurden von schön geschmückten Säulen gebildet, auf denenjeweils ein steinerner Löwe die Pranke hob, als ob er den Besucher warnen und zum Nachdenken darüber auffordern wolle, ob er denn tatsächlich eintreten wollte. Das Gebäude selbst lag ein Stück weit zurück: eine Villa im Stil des 18. Jahrhunderts, aus braunroten Ziegeln mit weißen Fensterrahmen und quadratischen Formen. Die

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