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Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Titel: Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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war eine Zukunft wieder möglich, auch wenn zwischen beiden kein Unterschied bestand. Herr Schweitzer hatte sich für die psychologische Kriegsführung entschieden.
    Karel Esterházy kam herein und stellte einen Koffer aus rotem Lederimitat auf den Couchtisch. Er war halbvoll mit Wäsche. Obenauf lag ein grauer Kulturbeutel.
    „Ach, sieh an, sieh an, Sie wollen verreisen. Wohin soll’s denn gehen?“ fragte Herr Schweitzer, gleichermaßen verwegen wie einfühlsam. Und schob sogleich hinterher: „Sie brauchen’s mir nicht zu sagen. Jeder Mensch braucht seine Geheimnisse. Es geht mich ja auch gar nichts an. Ich hoffe nur, daß es dort schön ist, wo Sie hinfahren. Der Weg zum Paradies ist kürzer, als man denkt.“ Zur Bekräftigung des Gesagten hätte er sich gerne die Hände gerieben. Aber die waren ihm ja gebunden.
    Keine Reaktion seitens des Killers. Unbeirrt setzte er sein Tun fort. Esterházy ging zum Wohnzimmerschrank, Eiche rustikal, öffnete die Seitentür und trug zwei Pullover zum Koffer. Einer davon hätte Herrn Schweitzer gehören können, so häßlich und aus der Mode gefallen wie er war. Ein dunkelbrauner Elchkopf hob sich von einem groben schwarzweißen Karomuster ab.
    „Hübsch“, erklärte Herr Schweitzer im Brustton der Überzeugung.
    Nachdem Esterházy die Pullover hineingelegt hatte, stutzte er. Kopfschüttelnd nahm er sie wieder heraus und warf sie achtlos hinter den Sessel.
    Der Gefangene setzte den einmal eingeschlagenen Weg des Psychokriegs ungerührt fort: „Ich würd’s genauso machen. Wenn man sich schon absetzen muß, dann ins Warme, aber hallo. Sonne, Strand und Meer, ist auch mein Traum. Echt.“ Das war natürlich ein wenig geschwindelt von Herrn Schweitzer. Ab ins Lauwarme, hätte es richtig heißen müssen. „Die Badehose“, lautete sein Vorschlag.
    Esterházy schloß die Augen.
    Was Herr Schweitzer dahingehend interpretierte, der Killer überlege, wo er seine Badehose aufbewahrte.
    Das war allerdings grundlegend falsch. Denn der Esterházy dachte nicht im Traum daran, sich auf die Suche zu begeben. Er besaß nämlich gar keine Badehose. Statt dessen griff er sich sein Schießeisen, betrachtete es eingehend, ging dann die paar Schritte zum Schnüffler und hielt ihm den Lauf an die Schläfe. „Wenn du nicht sofort die Fresse hältst …“
    An Herrn Schweitzer kroch ein eiskalter Schauer hoch. Selbst in einer Sauna hätte er jetzt gefroren. Bewegungslos und mucksmäuschenstill verharrte er in seiner Position. Es war aber nicht so sehr die Knarre an seiner Schläfe, die ihm das Scheitern seiner Mission signalisierte, sondern vielmehr, daß der Esterházy vom Sie ins Du gewechselt war. Ein schlechtes Zeichen. Ein ganz, ganz schlechtes Zeichen. Bedeutete es doch, daß der Respekt vor ihm auf der Strecke geblieben war. Und ohne Respekt vor ihm, vor dem menschlichen Leben im allgemeinen, war Morden nach Herzenslust kein abstrakter Begriff mehr. Keinen Respekt hatte der Mensch beispielsweise vor Ameisen. Man zerquetschte sie unter den Fußsohlen. Es brauchte nicht einmal Absicht dahinterzustekken. Ein simpler Schritt bei einem profanen Spaziergang und flutsch, tot war sie, die Ameise. Für kleine Lebewesen war der Tod allgegenwärtig, das Leben eine völlig überschätzte Sache. Und hier und jetzt war Herr Schweitzer ein Kleinstlebewesen. Allem Anschein nach war der Esterházy gegen psychologische Kriegsführungen, egal wie raffiniert sie ausgeklügelt waren, immun.
    Herr Schweitzer hätte ihm gerne gesagt, daß er damit einverstanden sei, fürderhin die Fresse zu halten. Aber das war unmöglich, er mußte ja die Fresse halten. Er nickte nur ganz leicht, nicht daß versehentlich die Pistole an seiner Schläfe losging. Das hätte ihm gerade noch gefehlt.
    „Gut. Ich sehe, Sie haben verstanden.“
    Uff. Er siezte ihn wieder.
    Esterházy steckte die SIG Sauer in den Hosenbund. „Und immer schön daran denken, ab sofort will ich keinen Ton mehr von Ihnen hören.“
    Herrn Schweitzers Kopf sauste auf und ab wie ein Foucaultsches Pendel en miniature und Zeitraffer.
    „Ist ja gut. Jetzt hören Sie schon auf. Ihnen wird ja noch ganz schwindelig.“
    Wie wahr, wie wahr. Vor dem Detektiv tanzte bereits die komplette Milchstraße. Er brach seine übertrieben devote, aber vielleicht lebenserhaltende Unterwerfungsgeste ab. Seine Umgebung schwankte wie bei einem Erdbeben der Stärke sieben bis acht.
    Nach dreißig Sekunden stand der Schrank wieder an seinem Platz und die Milchstraße war aus

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