Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm
ich ruf dich zurück. Hab gerade keine Zeit.“
„Gut. Wann kommst du?“
„Später.“
„Aha. Gut. Dann bis später.“
Kaum war das Gespräch beendet, ging die Beifahrertür auf. Sein erster Gedanke galt dem Hünen, der ihn nun nach allen Regeln der Kunst vermöbeln würde. Sein Blut war dementsprechend schockgefroren. Mit Gewalt mußte sich Herr Schweitzer dazu durchringen, seinen Kopf ein wenig nach rechts zu drehen. Was er sah, trug nicht dazu bei zu glauben, das mit seinen in Kürze gebrochenen Knochen werde schon wieder. Er blickte in den Lauf einer Pistole.
Unter normalen Umständen hätte er sicherlich geschlußfolgert, daß das aber ein bißchen übertrieben sei, ihn wegen der zugegebenermaßen unsäglichen Wecker-Geschichte in der Alten Oper mit einem glatten Herzdurchschuß zu züchtigen. Er hätte doch mit sich reden lassen. Eine solche rabiate Methode …
Es war aber gar nicht der Hüne. Der auch so schon abwechslungsreiche Tag wurde noch abwechslungsreicher, denn es war Esterházy, der sich zu Herrn Schweitzer gesellte. Wo kam der denn plötzlich her? Aus der Haustür jedenfalls nicht, denn die hatte er ja die ganze Zeit im Blickfeld gehabt.
„Na, Schnüffler. Wie geht’s?“
Herr Schweitzer guckte wie ein Trostpreis. Von klein auf hatte er einen gehörigen Respekt vor Pistolen. Während der Faschingszeit hatte er sich stets in seinem Kinderzimmer verkrochen. Das laute Knallen der Zündplättchen und Feuerwerkskörper war nichts für sein sensibles Gemüt. „Äh …“
„Äh …“, äffte Esterházy ihn nach. „Mehr fällt Ihnen wohl nicht ein?!“
Der Serienkiller hatte, ob Zufall oder nicht, genau ins Schwarze getroffen. Herrn Schweitzer fiel wirklich nichts mehr ein. Außer vielleicht, daß so ein Strohhut noch lange keine perfekte Tarnung ausmachte. Aber dafür war es jetzt eh zu spät. „Äh, nein … fällt nix ein.“ Auch einer geordneten Sprache war er momentan nicht mächtig.
„Sie wissen, wie’s weitergeht?“
Nein, das wußte Herr Schweitzer nicht. Er wollte es auch gar nicht wissen. Aber er hatte noch einen Trick in petto: „Sie lassen mich laufen und wir vergessen die ganze Sache?“
Karel Esterházy kniff die Augen zusammen.
Herr Schweitzer schöpfte Hoffnung.
Der Serienkiller machte das zarte Pflänzlein zunichte: „Hm, eigentlich ein guter Vorschlag, aber leider … Leider! Sie steigen jetzt ganz ruhig aus und gehen rüber zur Haustür. Sie wissen ja, wo ich wohne?!“
In Anbetracht der Sachlage war Leugnen zwecklos: „Ja, da drüben.“
„Gut. Ich werde immer hinter Ihnen sein. Falls Sie irgendwelche Sperenzchen planen, denken Sie bitte daran, die Pistole ist geladen.“
Daran zweifelte Herr Schweitzer keinen Moment. Natürlich war er noch irre aufgeregt. Wer wäre das nicht? Aber sein Puls hatte sich zumindest insoweit wieder normalisiert, daß momentan keine Gefahr eines Herzinfarkts bestand. „Ja, ich weiß.“
Er stieg aus.
Esterházy drückte ihm den Schlüsselbund in die Hand. „Es ist der mit dem gelben Gummi.“
„Okay.“
Kurze Zeit später saß Herr Schweitzer auf einem Sofa und Karel Esterházy ihm gegenüber.
„Ich öffne mal kurz das Fenster. Sie sehen blaß aus.“
„Ja.“
„So! Das hätten wir. Nun erzählen Sie mal, warum Sie mich beschatten. Wer hat Ihnen den Auftrag erteilt? Sie sind doch Privatdetektiv oder täusche ich mich etwa?“
„Nein, Sie täuschen sich nicht.“
„Gut, dann mal los!“
Herr Schweitzer ging in die Vollen: „Sie haben einen Kumpel von mir ermordet.“
„Wen?“
Sofort bereute Esterházy diesen Schnellschuß.
Dem tief in der Bredouille sitzenden Aushilfsdetektiv entglitten die Gesichtszüge. Nun guckte er nicht mehr wie ein Trostpreis, sondern wie einer, dem der Arzt gerade geraten hatte, sich keine Langspielplatte mehr zu kaufen, eine Single tut’s auch. Herrn Schweitzer war die Tragweite von Esterházys Gegenfrage durchaus bewußt. Schmidt-Schmitts Äußerung, man untersuche, ob die drei Morde irgendwie zusammenhängen, kam ihm in den Sinn. Und nicht nur das. Es ist nämlich ein gewaltiger Unterschied, einem bewaffneten Typen gegenüber zu sitzen, der lediglich den Tod seiner geliebten Tochter gerächt, als jemandem, der aus lauter Spaß an der Freude halb Frankfurt über den Jordan befördert hatte. Au weia! Fort war das bißchen Optimismus, doch noch irgendwie mit der Situation fertig werden zu können. Die Weisheit, Optimismus sei nur der Mangel an Information, hatte sich auf
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