Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm
war aufgebraucht. Ein weiteres Mal den Oberkommissar anrufen und eindringlich auf ihn einreden würde auch nichts bringen, so stur, wie der war.
Ein klein wenig erfolgversprechender schien da schon seine Idee, einfach anonym im Präsidium anzurufen und steif und fest zu behaupten, die Tatwaffe im Mordfall Jens Auer befände sich unter dem Sofa in Karel Esterházys Wohnung. Dann mußten sie nämlich reagieren. Und ganz vielleicht träfe das dann ja auch zu. Ein Glückstreffer, sozusagen. Oder sie fanden einen anderen Beweis, falls die Waffe nicht auffindbar war.
Herr Schweitzer aber machte lieber Nägel mit Köpfen. Den Kopf, Esterházys Kopf, hatte er. Fehlten nur noch die Nägel. Aber wie sollten die aussehen?
Die nächsten Minuten bemühte er sich intensiv um alternative Möglichkeiten der Beweisführung. Seine Gehirnwindungen liefen heiß. Vor lauter Nachdenken traten blaue Äderchen an den Schläfen hervor.
Nach einer halben Stunde fragte sich Herr Schweitzer, was mit ihm los sei. Er war doch sonst nicht so auf den Kopf gefallen und nie um eine Antwort verlegen. Sollte der anonyme Anruf in der Tat die letzte ihm verbleibende Möglichkeit sein?
Während sein Verfolger, von welchem Verein auch immer der war, vermutlich auf ihn wartete, hatte Esterházy einen Entschluß gefaßt. Einen Entschluß, so unumgänglich wie zwingend erforderlich. Schließlich sollte sein Flieger morgen gen Rio abheben. Und er, Esterházy, wollte unbedingt mit an Bord sein.
Wie um seinen eisernen Willen sich selbst gegenüber zu demonstrieren, absolvierte er fünfzig Liegestütze. Vor Kraft und Selbstbewußtsein strotzend joggte er zurück.
Der traurigen Gestalt von Privatdetektiv sah man seine Enttäuschung an. Kein Geistesblitz, keine sensationell clevere Idee hatte ihn heimgesucht.
Herr Schweitzer wollte noch abwarten, bis der Esterházy wieder zu Hause war, und hernach eine öffentliche Telefonzelle aufsuchen. Mit dem anonymen Anruf könnte er sich nicht einmal den winzigsten verwelkten Lorbeerkranz aufsetzen. Aber was soll’s, Hauptsache er hatte der Gerechtigkeit auf die Sprünge geholfen. Das wäre doch schon mal was. Wenn auch mitnichten das, was einem Heroen wie ihm normalerweise zustand. Aber noch viel schlimmer wäre es, die Kripo würde dann bei der Hausdurchsuchung keinen einzigen Beweis finden. Vielleicht auch deshalb, weil es gar keine Beweise gab, er den Esterházy völlig zu Unrecht verdächtigte. Aber daran wollte er lieber nicht denken.
Der zurückgekehrte Jogger hatte die Haustür aufgeschlossen und drehte sich noch einmal in seine Richtung um. Herr Schweitzer blickte in ein diabolisch grinsendes Gesicht.
Er wollte gerade den Motor starten, als auf seinem Handy ein Anruf einging. Es war Maria, die ihm den Eingang eines neuen Auftrags mitteilte. Dazu muß man wissen, daß Herr Schweitzer sich vor circa anderthalb Jahren eine Website einrichten ließ, um seine Dienste als Sachsenhäuser Privatdetektiv anzubieten. Es war Marias Vorschlag gewesen. Sie war es auch, die die Pflege selbiger übernahm, weil man von unserem Held mit Fug und Recht behaupten konnte, auf dem IT-Gebiet ein ausgemachter Dösbaddel zu sein. Obendrein besaß er ja auch kein Büro wie die anderen seines Fachs. Viel gebracht hatte die Website bislang nicht, was aber auch daran lag, daß Herr Schweitzer die meisten Anfragen einfach abschmetterte. Entweder war der Zeitpunkt ungünstig, als Privatier hatte er oft einen vollen Terminkalender (Mittagsschlaf, Müßiggang, Weinfaß), oder der Fall sagte ihm nicht zu. Immerhin hatte er im Februar dieses Jahres zweitausend Euro für die Wiederbeschaffung einer entlaufenen Töle kassiert. Die überkandidelte Besitzerin hatte Geld wie Heu, residierte wie Maria von der Heide auf dem Lerchesberg, Heimat des Frankfurter Geldadels, und hatte ihm die Scheine ohne mit der Wimper zu zucken ausgehändigt. Daß er den bescheuerten Wauwau, einen wuscheligen Havaneser mit blauer Haarschleife, der mehr piepste als daß er bellte, in einem Tierheim aufspüren konnte, hatte Herr Schweitzer bei der Übergabe tunlichst verschwiegen. Der Dame war’s egal. Sie war überglücklich, als sie ihr ‚Baby’ (O-Ton von Frauchen) wieder in den Armen halten und knuddeln konnte. ‚Sie haben mein Leben gerettet’, hatte sie zum Abschied gesagt. Dessen war sich Herr Schweitzer sicher, auch wenn er mit dem Begriff ‚Leben’ in diesem speziellen Fall so seine Schwierigkeiten hatte.
Nun also eine erneute Anfrage. „Du, Maria,
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