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Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Titel: Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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nachhaltige Weise bestätigt. Nun war er im Besitz der Information. Sie als niederschmetternd zu bezeichnen wäre purer Euphemismus. Herr Schweitzer betrachtete die noch immer auf ihn gerichtete Pistole. Sie hatte plötzlich das Kaliber einer Flugabwehrkanone, kurz Flak genannt. „Jens Auer“, antwortete er resigniert.
    „So, so, der also“, entgegnete Karel Esterházy in einem ebenso betulichen wie nachdenklichen Tonfall.
    War Herr Schweitzer vorhin in die Vollen gegangen, so ruderte er nun zurück. Zwar lag es ihm auf der Zunge, zu sagen, daß es mit den beiden anderen zusammen insgesamt also drei Morde seien, derer sich sein Gegenüber schuldig gemacht hatte, aber er scheute die hypothetische Korrektur Esterházys. Die hätte nämlich durchaus lauten können: ‚Falsch. Mit Ihnen sind es vier. Können Sie nicht zählen?’ Nein, nein und nochmals nein, die Nummer Vier zu sein, ist nicht fein. Da mußte eine andere Lösung her.
    Esterházy stand auf. Sein Interesse an Herrn Schweitzer war vorerst erloschen. Er wollte nicht mehr wissen, wie ihm der Schnüffler auf die Spur gekommen war. „Ich gehe jetzt mal kurz ins Nebenzimmer. Bin gleich wieder da. Sie können ja so lange aus dem Fenster springen.“
    Herr Schweitzer fragte sich, ob das jetzt ironisch gemeint war. Ganz sicher war er sich da nicht, denn so ein Oberräder Fenstersturz versprach im Gegensatz zum Prager die eine oder andere Überlebenschance. Sollte er sie nutzen? Nicht daß ich gleich erschossen werde und mich dann ärgere, sie vertan zu haben.
    Doch Esterházy war schneller zurück als gedacht. In seiner Linken hielt er eine Rolle braunes Klebeband. „Sie entschuldigen?! Aber ich muß noch packen. Hände vor!“
    Er tat wie befohlen. Ein Angriff erschien angesichts des waffentechnischen Ungleichgewichts – vergleiche Warschauer Pakt/Nato – ohnehin sinnlos. Denn Herrn Schweitzers einzige, in vielen Schlachten erprobte Waffe war sein massiger Körper, und diesen jetzt einzusetzen käme einem Himmelfahrtskommando gleich.
    Der Serienkiller fuhrwerkte unbeholfen herum. „Äh, so geht das nicht.“ Er wechselte die SIG Sauer in die linke, das Klebeband in die rechte Hand. Mit den Zähnen biß er in das lose Ende und zerrte ein wenig daran. Als etwa zehn Zentimeter abgezogen waren, reichte er es dem Gefangenen und befahl: „Ziehen!“
    Gewöhnlich ekelte sich Herr Schweitzer vor fremder Leute Spucke. Aus nachvollziehbaren Gründen stellte er diesen Abscheu aber erst einmal hinten an. Er zog am glitschigen Klebeband.
    „Stop! Gut so.“
    Im Nu waren Herrn Schweitzers Hände gefesselt.
    „Jetzt die Füße.“
    Als Esterházy fertig war: „Sie bewegen sich nicht von hier fort!“
    Sein Peiniger verschwand im Nebenzimmer und blieb dort eine Weile. Herr Schweitzer hatte also Zeit, ein wenig über seine mißliche Lage nachzudenken. Und mißlich war sie, seine Lage, so viel stand außer Frage. Als erstes machte er sich in Gedanken eine Liste, was zu tun ihm alles verwehrt war. Und das war eine ganze Menge. Betrübt betrachtete er seine gefesselten Hände.
    Doch nicht alles war so negativ, wie es auf den ersten Blick schien. Da war zum einen der Serienkiller selbst, der bei allem Blut an seinen Händen eher wie ein fürsorglicher Familienvater daherkam, mit dem es sich reden ließ. Zum anderen hatte er, Herr Schweitzer, keinen Knebel zwischen den Zähnen. Mundtot war er also nicht. Daraus ergab sich immerhin die Option einer psychologischen Kriegsführung. Doch wie sollte diese aussehen? Das Stockholm-Syndrom fiel ihm ein. Aber wie verbrüdert man sich mit einem zu allem entschlossenen Killer? War er überhaupt zu allem entschlossen? Oder sah er seine Arbeit als bereits erledigt an?
    Bei der letzten Frage blieb Herr Schweitzer hängen, denn die Beantwortung selbiger ließ ein Fünkchen Hoffnung erglimmen. Sähe der Esterházy seine Arbeit nämlich als erledigt an, bräuchte er ihn, den Herrn Schweitzer, nicht auch noch zu erledigen. Das wäre ziemlich klasse. Darauf konnte man bauen. Eine goldene Zukunft zum Beispiel. Ach, sagte er sich, golden muß sie doch gar nicht sein, Zukunft reicht völlig. Maria, Weinfaß, Joint, Pepsi, Hängematte. So könnte sie aussehen, seine Zukunft. Wie seine Vergangenheit eben. Veränderungen sind doch nur dann nötig, wenn mit der Gegenwart etwas nicht stimmt. Und genau hier lag der Hase im Pfeffer begraben: die Gegenwart. Um sie zu ändern, mußte der alte Zustand wieder hergestellt werden, egal wie, denn erst dann

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