Das Geheimnis von Mikosma: Geblendet
flüsterte Leandra leise. »Hier gibt es zu viele Ohren. Habe ich etwas Wichtiges versäumt?«
Henry blickte vorsichtig hinter sich, beugte sich dann tief zu Leandra hinunter und antwortete: »Im Gegenteil. Die ersten Minuten waren sehr komisch. Alphata stotterte herum und sprach vom Wetter! Wir hatten den Eindruck, dass sie sehr unsicher wirkte. Sie schien auf irgendetwas zu warten. Erst, als du zur Tür hereingefallen bist, erhielt sie ihre imposante Größe und Sicherheit zurück.«
Leandra zog überrascht beide Augenbrauen in die Höhe und schüttelte ungläubig den Kopf. Nein, etwas ging hier nicht mit rechten Dingen zu. Als sie sich umblickte, sah sie, dass Alphata beide besorgt beobachtete. Deshalb legte Leandra ihren Finger auf die Lippen und deutete Henry an, sich auf die Suche nach seinen Gruppenmitgliedern zu machen. Bei den wild durcheinander laufenden Kinderherden war es gar nicht so einfach, den Überblick zu behalten und so mar schierte Leandra zu den einzelnen Gruppen , die sich lang sam aus aufgeregten Schülern zu formen begannen, und schielte auf deren Karten. Obwohl sie Leandra mit freundschaft lichen Blicken musterten, traute sie sich nicht, sie anzusprechen. Zu groß war die Angst, abgewiesen zu werden. Doch leider besaß keiner die passenden Gegenkarten. Luca hatte seine sehr schnell gefunden und Leandra beobachtete erfreut, dass sich auch Scott und Che unter den Mitgliedern befanden. Schnell gesellte sich der Kleine zu seinen Mitbewohnern und setzte ein zufriedenes Gesicht auf. Auch Henry war noch auf der Suche wie sie und warf ihr einen genervten Blick zu. Doch als er auf die nächste Kinderansammlung zuging, steckte er den Daumen nach oben und signalisierte Leandra, seine Mannschaft gefunden zu haben. Die Zwillinge Mary und Terry hüpften vor Freude in die Luft, Henry als Mitglied gewonnen zu haben, und beide scharten sich froh um den großen Jungen. In der anderen Ecke der großen Bibliothek bildete sich eine Gruppe, in der Leandra kein bekanntes Gesicht entdecken konnte. Ein Mädchen hatte Leandras ziel lose Suche beobachtet und deutete mit pantomimischer Meis terleistung die Flügelschläge eines Vogels an. Dankbar lä chelte Leandra zurück, denn sie wusste, dass sie dort ihre Gegenkarten finden würde.
»Ich danke dir, dass du mich aus dem Kindersalat herausgeholt hast«, sagte Leandra erleichtert.
Ihr fiel ein tonnenschwerer Brocken von der Seele. Erfreut blickte sie in die fröhlichen, blauen Augen des Mädchens.
»Ich heiße Anastasia und war so glücklich darüber, den Pikal gezogen zu haben. Ich liebe Vögel und war sofort von diesen majestätischen Tieren begeistert«, sprudelte es aus ihm heraus und es hielt Leandra seine Karte unter die Nase.
Zu ihrer Verwunderung zog ein schneeweißer Pikal seine Runden. Das Licht reflektierte sich in dem Gefieder und hinterließ atemberaubend schöne Farbspiele. Dabei trällerte er ein bezaubernd schönes Lied.
»Wo ist dein mausgrauer Pikal«, stotterte Leandra und sah Anastasia verdutzt in die Augen.
Diese zog die Augenbrauen nach oben und sagte: »Ich weiß nicht, wovon du sprichst . Zeig doch einmal deine Karte. Vielleicht bist du hier doch nicht richtig.«
Leandra hatte diese fest an ihre Brust gedrückt. Der Anblick des so einst anmutigen Vogels hatte sie so traurig ge stimmt, dass sie nun Scheu hatte, die ihre neben den wunder schönen Pikal zu legen. Sie gab sich einen Ruck und hielt dem Mädchen ihre Karte unter die Nase. Das Gesicht erhellte sich und es sah Leandra fragend an. Zögerlich drehte Lean dra die Karte um. Ihr Pikal besaß wieder die gewohnte schneeweiße Farbe, hatte sich an einer Wasserstelle niedergelassen und trank genüsslich daraus. Seine langen Flügel hatte er aus gebreitet, um diese nun ausgiebig und gründlich zu säubern.
»Wahrscheinlich habe ich mich vorher getäuscht«, rettete sich Leandra aus der peinlichen Situation und setzte ein eher ungeglücktes Lächeln auf. »Ich sage immer Dinge, die ich lieber für mich behalten sollte.«
Im Inneren wusste sie jedoch, dass es keine Einbildung war. Auf ihrer Karte hatte ein Pikal sein schneeweißes Gefieder mit einem mausgrauen getauscht. Leider hatte sie jetzt nicht die Zeit dazu, darüber nachzudenken, denn die kleine Fee, die der Gruppe zugeteilt war, flatterte mit schwirrenden Flügeln heran. Verlegen standen die Kinder auf einem Haufen und betrachteten neugierig die vielen neuen Gesichter. Da die kleine Elfe dies bereits geahnt hatte, ergriff sie die
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