Das Geheimnis von Mikosma: Geblendet
Leandra, obwohl ihr selbst nicht wohl bei dem Gedanken war, allein durch diese riesigen, schwarzen Gänge zu tapsen.
Aber wie immer war die Neugierde größer als die Vernunft und dem ängstlichen Luca blieb keine andere Wahl, als sich den anderen anzuschließen. Henry ging geradeaus, Leandra nahm den rechten und Luca schlug den linken Weg ein. Mit klopfendem Herzen tastete sich Leandra vor und ihre Knie wurden weich, als sie feststellte, dass sie nun alleine war. Sie konnte weder die Lichtkegel der Fackel ihrer Freunde, noch die vertrauten Stimmen hören. Lediglich ihr eigenes Feuer tanzte im Wind und erzeugte schaurige Schattenbilder an der Wand. Weil sie am Ende eines Ganges angekommen war, streckte sie ihre Fackel weit in den nächsten hinein, um erahnen zu können, wohin der führen würde. So gelangte sie immer tiefer ins Labyrinth. »Bitte lass den Spuk langsam zu Ende sein«, dachte Leandra verzweifelt und fing an, ein altes Wiegenlied zu summen, um sich von ihrer Angst abzulenken. Trotz ihrer Furcht hatte sie das Gefühl, bald am Ziel angelangt zu sein. Sie huschte in den nächsten Gang und musste enttäuscht feststellen, dass es sich um eine Sack gasse handelte. Als sie sich umdrehte und zurückgehen wollte, stieß sie plötzlich mit ihrem Kopf gegen eine schwarze Mauer aus kaltem Stein. Wie aus dem Nichts hatte sie sich vor dem Mädchen aufgebaut und hinderte es daran, zurück zu gehen. Sie war in dem schmalen Gang gefangen! Panisch tastete sie mit einer Hand die Oberfläche der Mauer ab und leuchtete mit der Fackel in alle Ecken in der Hoffnung, dort eine Öffnung oder einen Spalt zu entdecken. Aber es war vergebens: Sie saß fest in einem Gefängnis aus hohen, kalten und dunklen Mauern. Immer hektischer wurden ihre Bewegungen und Tränen schossen ihr in die Augen.
»Wo kommt diese Mauer plötzlich her?«, stammelte sie fassungslos. »Ich bekomme Platzangst! Ich muss hier raus!«
Sie schrie laut um Hilfe, doch niemand schien sie zu hören. Wie ein gefangener Panther in seinem Käfig lief Leandra an den Wänden entlang und trat mit voller Kraft gegen die harten, finsteren Steine. Immer wieder rief sie die Namen von Henry und Luca , bis ihre Stimmbänder erschlafften und Leandra kraftlos zusammenbrach. Schweißperlen liefen ihr über die Stirn und sie schluckte Ekel erregenden Speichel. Sie schloss erschöpft die Augen. In dem Moment, als sie aufgeben wollte, schob sich ein jungenhaftes Grinsen in ihre Erinnerung und hauchte Leandra neuen Lebensatem ein. Sie sprang auf, dachte an Erlas und flüsterte seinen Namen. Sofort spürte sie einen warmen Windhauch und der Kobold stand mit einem besorgten Gesicht vor ihr.
»Ich bin so froh, dass du bei mir bist«, rief Leandra , ließ sich auf die Knie fallen und nahm den Kobold fest in die Arme.
Dieser erwiderte die Umarmung und wartete ab, bis sich das Mädchen an seiner Schulter ausgeweint hatte.
Dann erst begann er zu sprechen: »Nur unter großer Mühe ist es mir gelungen, hierher zu kommen. Wieder wollte mich eine unbekannte Macht daran hindern, dir zu Hilfe zu eilen. Ich verdanke es Tamina, die mich gerade auf der Krankenstation besucht hat, dass ich hier sein kann.«
»Was ist passiert?«, fragte Leandra, während sie sich mit Erlas' Taschentuch die Tränen aus den Augen tupfte.
»Meine Beine und Hände wurden plötzlich so schwer wie Blei. Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Zum Glück war mein Mund nicht davon betroffen und ich bat Tamina, mich von dieser Liege herunter zu reißen. Sofort kehrten meine Kräfte wieder zurück!«.
»Bitte befreie mich aus diesem Gefängnis!«, bat Leandra mit flehender Stimme und stand schnell auf.
Erlas schloss seine Augen und legte konzentriert seinen Kopf in den Nacken.
Dies wiederholte er einige Male, bis er sich enttäuscht eingestand: »Etwas hindert mich daran, zu denken! Alle Ideen werden wie von einem kräftigen Orkan weggeblasen, bevor sie Gestalt annehmen können.«
Leandra brach mutlos zusammen, doch irgendetwas in ihrer Gesäßtasche piekste sie in den Po, dass sie vor Schmerz kurz aufschrie. Sie fasste hinein und hielt den Spiegel, den sie am Wasserfall erhalten hatte, in den Händen. Sie sah Erlas verwundert an und folgte seinem Blick, der zur Fackel wanderte. Jetzt hatte sie die rettende Idee! Der Spiegel würde das Licht der Fackel wie einen Lichtkegel in die Luft projizieren, sodass ihre Freunde sie finden müssten! Nervös drehte sie das Ding in den zitternden Fingern so herum, sodass die Fackel
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