Das Geheimnis zweier Ozeane
durchsichtigen Schutzhülle, drei für unterseeische Exkursionen sehr wichtige Geräte eingebaut: Uhr, Kompaß und Lot.
Pawlik staunte besonders über die Elastizität dieses Metallanzuges, mit dem er heute seinen ersten größeren Ausflug machte. Er wußte kaum, was er zuerst betrachten und worüber er sich mehr begeistern sollte. Eine durchscheinende, wie ein Glasgebilde aussehende, rötlichviolette Qualle segelte langsam vorbei. Ihr glockenförmiger Gallertkörper war an seinem unteren Rande von zarten Fransen gesäumt. Wie eine Quaste aus verschiedenfarbigen Schnüren wehten seitlich lange Fühler. Die Qualle schwebte durchs Wasser, sie blähte abwechselnd ihren Glockenrand auf und zog ihn wieder zusammen.
Neben einem dieser zierlichen Lebewesen tauchte ein kleines silbriges Fischchen auf, und im Nu veränderte sich das Bild. Die Fühler einer Qualle blieben am Rücken des Fisches haften, der Fisch erstarrte wie gelähmt. Aus den an den Fühlern sitzenden zahlreichen Nesselkapseln waren lange feine Fäden hervorgeschnellt und in den Leib des Opfers eingedrungen; das ausströmende Gift betäubte die Beute sofort. Die Fühler der Qualle zogen sich zur Mundöffnung zusammen, und im nächsten Augenblick sah Pawlik in dem durchsichtigen Körper des Tieres die dunklen Umrisse des Fischchens. Es fand in seiner ganzen Größe darin keinen Platz, und so ragte sein Schwanz noch aus der Mundöffnung der Qualle heraus.
„Jungchen, schau mal, was der Einsiedlerkrebs macht!“
Pawlik drehte sich um. Der Krebs war ganz aus seiner wie ein Horn gewundenen Muschel herausgekrochen. Er bewegte sein nacktes, rosiges Körperende hin und her, kroch so an eine andere Muschel mit ähnlichem Gehäuse heran, steckte eine Schere hinein und zog ein paar Sandkörnchen heraus.
„Was macht er denn?“ fragte Pawlik erstaunt.
„Das wirst du gleich selber sehen. Ich beobachte das auch zum erstenmal in der Natur.“
Der Einsiedlerkrebs untersuchte noch einmal das Innere der Muschel und war offenbar zufriedengestellt. Er kroch, den Hinterleib voran, in das Muschelgehäuse hinein und machte es sich darin eine Zeitlang bequem. Dann kam er wieder heraus und krabbelte zu seinem alten Häuschen zurück. Die prächtige Seeanemone stand stolz da, in raschem Wechsel blähte sie sich auf und zog sich wieder zusammen; dabei ließ sie ihre langen, in eine violettrote Spitze auslaufenden Fühler um ihren walzenförmigen, dunkelroten, schwarz gestreiften und gesprenkelten Körper wehen. Die Fühler bewegten sich wie bunte Schlangenleiber. Zwei kleine silbrige Fischchen wollten vorbeiflitzen, aber sie berührten die Fühler der Aktinie. Und schon waren sie von einem Fühlerknäuel umstrickt und blieben hilflos und unbeweglich darin hängen. Zusammen mit dem Knäuel verschwanden sie in der in der Mitte des Fühlerkranzes befindlichen weiten Mundöffnung. Noch ein Augenblick, und über dem Aktinienkörper blühte wieder eine prächtige zarte Blume.
Pawlik war von dieser ungewöhnlichen Jagd und von der Arglist, die durch soviel Schönheit getarnt war, derart beeindruckt, daß er immer wieder aufgeregt ausrief:
„Das ist ja toll! So ein schönes Ungeheuer! So schön und so böse!“
Der Zoologe versuchte mit seinen Achseln zu zucken.
„Weder böse noch gut, Jungchen. Die Seeanemone lebt und will ihr Leben erhalten. Auf Kohl und Kuchen hat sie niemand dressiert.“
Währenddessen war der Krebs an die Seeanemone herangekrochen, richtete sich auf und befühlte die Ränder ihrer runden Fußscheibe, mit der die Aktinie am Muschelgehäuse haftete. Dann begann er sie geschickt mit Hilfe seiner spitzen Füßchen von der Muschel zu lösen. Er strengte sich mächtig an, bis er die Seeanemone, die sich die Operation ihres Hausgenossen gern gefallen ließ, mit seinen Scheren hochheben konnte. Langsam kroch der Krebs, seine Schöne vorsichtig balancierend, zu seiner neuen Behausung zurück. Bei der Muschel angelangt, setzte er die Seeanemone darauf, drückte ihre Fußscheibe kräftig auf die gewölbte Oberfläche und hielt sie lange mit seinen Scheren fest. Pawlik beobachtete gespannt diesen Umzug in die neue Wohnung. Einige Minuten später, als der Krebs seine Scheren zurückzog, stand die prächtige Seeanemone in ihrer alten Schönheit fest auf der neuen Muschel und entfaltete ihre biegsamen, zarten Fühler im bunten Farbenspiel.
Es wurde immer heller. Die im Zenit stehende Sonne sandte ihre Strahlen senkrecht in die Tiefen des klaren Sargassomeeres. Das
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