Das Geheimnisvolle Haus : Kriminalroman
seiner Seele durchschauen wollte. Er konnte wunderbar zuhören, und diese Eigenschaft, verbunden mit einer gewissen Heiterkeit seines Temperamentes, hatte ihn in kurzer Zeit in der Gesellschaft beliebt gemacht, die ihm nun ihre Tore geöffnet hatte.
»Bevor Sie mich mit Recht verurteilen, Lady Dinsmore, gestatten Sie, daß ich mich wegen der Verspätung tausendmal bei Ihnen entschuldige.«
Lady Dinsmore schüttelte den Kopf und schaute zu Farrington hinüber. Aber der ernste Mann hatte sich auf einem Sessel in der Ecke der Loge niedergelassen und schaute verdrießlich ins Parkett hinunter.
»Sie sind einfach unverbesserlich, Graf. Aber nehmen Sie jetzt Platz und bringen Sie ruhig Ihre Entschuldigungsgründe vor. Sie kennen ja meine Nichte - ich glaube, auch Mr. Doughton. Er ist einer unserer kommenden führenden Geister.«
Der Graf machte eine Verbeugung und setzte sich neben Lady Dinsmore.
Frank, der nur durch ein Nicken kühl auf den Gruß geantwortet hatte, nahm seine Unterhaltung mit Doris sogleich wieder auf. Lady Dinsmore wandte sich an den Grafen.
»Was können Sie nun zu Ihrer Rechtfertigung vorbringen?« fragte sie etwas abrupt. »Ich lasse Sie nicht so leichten Kaufes entwischen. Unpünktlichkeit ist ein böses Vergehen, und zur Strafe sollen Sie sagen, weshalb Sie nicht gekommen sind.«
Poltavo verneigte sich mit einem strahlenden, liebenswürdigen Lächeln.
»Es war eine recht unangenehme geschäftliche Angelegenheit, die meine persönliche Gegenwart erforderte -auch Mr. Farrington mußte zugegen sein.«
Lady Dinsmore machte eine abwehrende Geste. »Geschäftliche Dinge können mich nicht versöhnen. Mr. Farrington«, fügte sie mit leiser Stimme vertraulich hinzu, »kann von nichts anderem als von Geschäften sprechen. Als er bei mir wohnte, sandte er dauernd Depeschen, kabelte nach Amerika oder entzifferte Codetelegramme. Weder bei Tag noch bei Nacht war Ruhe im Hause. Schließlich wurde es mir zuviel. ›Gregory‹, sagte ich zu ihm, ›ich dulde es nicht, daß du meine Dienstboten mit deinen extravaganten Trinkgeldern verdirbst und mein Haus zu einem Börsenbüro machst. Es ist besser, daß du deine Hausse-und Baissespekulationen im Savoy-Hotel vornimmst und Doris mir allein überläßt.‹ Diesen Rat hat er auch befolgt«, sagte sie mit einer gewissen Genugtuung.
Graf Poltavo schaute sich nach Mr. Farrington um, als hätte er zum erstenmal etwas von dessen merkwürdigem Verhalten gehört.
»Geht es ihm gesundheitlich nicht gut?«
Sie zuckte die Schultern.
»Offen gestanden, ich glaube, daß er ein wenig kränkelt. Er macht es aber schlimmer, um nicht an unserer Unterhaltung teilnehmen zu müssen. Er kann Musik an und für sich nicht recht leiden. Doris ist sehr besorgt um ihn, und seitdem sie gemerkt hat, daß es ihm nicht ganz gut geht, ist sie zerstreut. Sie verehrt ihren Onkel - Sie wissen doch, daß sie seine Nichte ist?«
Graf Poltavo blickte zu Doris hinüber. Sie saß vorn in der Loge und hatte die Hände leicht im Schoß zusammengelegt. Sie beobachtete das Publikum während der Pause mit einer gewissen Gleichgültigkeit, als ob sie an andere Dinge dächte. Ihre gewöhnliche Harmlosigkeit und ihre frohe Heiterkeit schienen sie im Augenblick ganz verlassen zu haben, und sie war schweigsam, was man sonst nicht an ihr gewöhnt war.
»Sie ist wirklich schön«, sagte Poltavo leise vor sich hin.
Ein gewisser Unterton in seiner Stimme machte Lady Dinsmore aufmerksam, und sie sah ihn prüfend an.
Der Graf erwiderte ihren Blick.
»Darf ich eine Frage an Sie richten - ist sie mit Ihrem jungen Freund verlobt?« sagte er leise. »Glauben Sie mir bitte, daß ich nicht nur aus purer Neugierde frage. Ich -ich bin selbst… interessiert.« Er sprach so ruhig und gesetzt wie immer.
Lady Dinsmore überlegte schnell.
»Ich besitze leider nicht ihr Vertrauen«, antwortete sie schließlich ebenso leise. »Sie ist ein kluges junges Mädchen und fragt niemanden um Rat.« Sie machte eine Pause, fügte dann aber zögernd hinzu: »Sie mag Sie nicht gern, es tut mir leid, wenn ich Ihnen dadurch weh tue, aber das ist ganz offensichtlich.«
Graf Poltavo nickte.
»Das weiß ich. Würden Sie mir einen aufrichtigen Freundschaftsdienst erweisen und mir mitteilen, warum ich ihr unsympathisch bin?«
Laidy Dinsmore lächelte.
»Ich will sogar noch mehr als das tun«, erwiderte sie freundlich. »Ich will Ihnen Gelegenheit geben, sie selbst danach zu fragen. Frank!« Sie wandte sich nach vorne und klopfte
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