Das Geheimnisvolle Haus : Kriminalroman
zusagt. Als Geschäftsmann müssen Sie wissen, daß zum Abschluß eines Geschäftes zwei Parteien gehören. Vor allem sagen Sie mir, welche Pflichten ich zu übernehmen habe.«
Der Mann am Schreibtisch lehnte sich zurück und steckte die Hände in die Taschen.
»Ich bin der Herausgeber einer kleinen Zeitung, die ausschließlich unter den Dienstboten der besseren Leute zirkuliert. Von Zeit zu Zeit erhalte ich interessante Mitteilungen über die Aristokratie und den Landadel, die von hysterischen französischen Zofen oder rachsüchtigen italienischen Kammerdienern eingesandt werden. Ich bin in diesen Sprachen gerade nicht sehr bewandert, glaube aber, daß in den Briefen viel enthalten ist, was mir infolge meiner Unkenntnis der Sprachen entgeht, was ich jedoch unter allen Umständen wissen möchte. Ich brauche deshalb jemanden, der verschwiegen ist, meine Auslandskorrespondenz erledigt, sie ins Englische übersetzt und mir außerdem kurze Inhaltsangaben der Briefe liefert, die von diesen guten Leuten kommen. Sie wissen, daß die Männer nicht vollkommen sind, noch weniger die Frauen, und am wenigsten diejenigen, die sich Dienstboten leisten können. Gewöhnlich haben diese Angestellten irgendwelche Geschichten zu erzählen, die ihrer Herrschaft nicht sehr zum Vorteil gereichen. Verstehen Sie, lieber Freund? Wie heißen Sie übrigens?«
Der Fremde zögerte einen Augenblick.
»Poltavo«, sagte er dann.
»Italiener oder Pole?«
»Pole.«
»Nun, ich sagte schon, daß die Redaktion der Zeitung bemüht ist, Nachrichten über alles zu sammeln, was in der Gesellschaft vorgeht. Besonders interessiert uns das, was sich hinter den Kulissen abspielt. Wenn man die Geschichten drucken kann, so drucken wir sie. Wenn sie dagegen nicht zur Veröffentlichung geeignet sind«, er machte eine längere Pause, »dann drucken wir sie eben nicht. Aber«, er hob warnend seinen Finger, »lassen Sie sich nicht dazu verleiten, solche Nachrichten in den Papierkorb zu werfen, weil sie Details enthalten, die man nicht veröffentlichen kann. Wir nehmen solche Dinge zu den Akten und bewahren sie zu unserem eigenen Vergnügen auf.« Er sagte dies leichthin, aber Poltavo ließ sich nicht täuschen.
Es trat wieder ein längeres Schweigen ein. Der Mann mit dem verschleierten Gesicht schien nachzudenken.
»Wo wohnen Sie?« fragte er schließlich.
»Im vierten Stock eines kleinen Hauses in Bloomsbury.«
»Wann sind Sie nach England gekommen?«
»Vor sechs Monaten.«
»Warum kamen Sie hierher?«
Poltavo zuckte die Schultern.
»Warum kamen Sie hierher?« wiederholte der Herausgeber der Zeitung mit Nachdruck.
»Es gab eine kleine Meinungsverschiedenheit zwischen mir und dem verehrungswürdigen Polizeichef von San Sebastian«, sagte Poltavo ebenso gleichgültig wie vorhin der andere.
»Hätten Sie mir etwas anderes erzählt, so wären Sie nicht engagiert worden.«
»Warum?« fragte Poltavo erstaunt.
»Weil ich weiß, daß Sie die Wahrheit sprechen. Ihr kleines Zerwürfnis mit der Polizei in San Sebastian hatte einen ganz bestimmten Grund. In dem Hotel, in dem Sie wohnten, wurde nämlich eine größere Geldsumme ver-mißt. Der Raum, in dem der Betrag verschwand, stieß direkt an Ihr Zimmer, er hatte sogar eine Verbindungstür zu diesem. Wenn also jemand schlau genug war, diese Tür mit einem Nachschlüssel zu öffnen, so war die Sache sehr einfach. Ihre Abreise ist auch beschleunigt worden, weil Sie nicht in der Lage waren, die Hotelrechnung zu bezahlen.«
»Sie sind ein tüchtiger Mann!« sagte Poltavo anerkennend, aber er zeigte sich nicht im geringsten bestürzt oder verwirrt.
»Es gehört zu meinem Geschäft, von allen Leuten etwas zu wissen - nebenbei bemerkt, können Sie mich Mr. Brown nennen. Wenn ich manchmal nicht aufmerksam scheine, wenn Sie mich so nennen, so müssen Sie das entschuldigen, denn in Wirklichkeit heiße ich nicht so. Sie sind also der Mann, den ich gebrauchen kann.«
»Es ist merkwürdig, daß Sie mich gefunden haben. Die Annonce« - er zeigte denselben Ausschnitt vor - »wurde mir nämlich von einem unbekannten Freund zugeschickt.«
»Dieser unbekannte Freund war ich selbst. Verstehen Sie jetzt den Zusammenhang?«
»Dann begreife ich allerdings. Aber das wichtigste ist für mich, wieviel Gehalt ich bekomme.«
Mr. Brown nannte eine Summe, die für Poltavo einen großen Betrag bedeutete. Der Herausgeber der Zeitung beobachtete ihn scharf und freute sich, als er erkannte, daß sein neuer Assisteht weder erstaunt noch
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