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Das Geiseldrama

Das Geiseldrama

Titel: Das Geiseldrama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Drähte sind dran. Und graue Knete. Soll ich Ihnen das
holen?“
    „Drähte und graue Knete?“ O
Mann! Also doch! Hatte Roland, der falsche Hund, eine Bombe gebastelt.
Sicherlich ‘ne Magnetbombe. Aber die versagte nun — wie überhaupt mindestens 50
Prozent seiner Höllenmaschinen nicht funktionierten. Es hätte auch anders
kommen können.
    „Lassen Sie sich nicht so
sehen“, meinte der Penner. „Sie stehen ja voll im Bild, Meister. Oder ist Ihre Freundin
jetzt weg?“
    „Was? Ach so. Ja, sie ist weg.
Sah sie gehen.“
    „Brauchen Sie mich noch?“
    Schorbach schüttelte den Kopf.
    „Dann bis zum nächsten Mal,
Meister. Immer zu Diensten.“
    Der Penner zog ab, nicht
ahnend, wie knapp er dem Tod entgangen war. Das Fünf-Markstück begann zu
schwitzen in seiner Hand. Er strebte dem Kiosk zu, wo es den billigen Schnaps
gab: 4,95 Mark die Literflasche. Der Tag war gerettet.
    Schorbach überlegte. War es
möglich, daß die Bombe jetzt noch... Nein! Und sichergehen wollte er. Einen
Blick wollte er ins Fach werfen. Das würde dann endgültig über Erwin Rolands
Schicksal entscheiden.
    Er schlenderte zu Nr. 811,
behielt das Fach im Auge und stand davor, bevor es von jemandem benutzt wurde.
    Tatsächlich! Sprengstoff,
Drähte, und der Zünder war an der Innenseite der Schließfachtür angebracht,
hatte sich aber gelöst. Deshalb!
    Schorbach entfernte sich mit
Riesenschritten, hastete zum Wagen zurück und spürte kalte Wut im Magen, was in
diesem Fall seiner Verdauung schadete. Die Kalbsleber war wirklich sehr zäh
gewesen.
    Er fuhr zur Mönchsgasse zurück.
Bestimmt war Roland noch im Hotel. Der fühlte sich sicher. Jetzt mehr denn je.
Nachher — wenn seines Erachtens alles gelaufen war — würde er sich zum
Hauptbahnhof begeben und aus Fach 97 das Geld holen.
    „Aber da hast du dich geirrt“,
murmelte Schorbach.
    Er parkte am Anfang der Gasse,
außer Sicht des Hotels. Niemand kam ihm entgegen. Hohe Häuser hielten den
Schatten fest, und er gestattete sich den Luxus, die Sonnenbrille in der Hand
zu tragen. Erst vor dem Hotel setzte er sie auf.
    Die vier Gesichter, die aus
einer nahen Einfahrt lugten, bemerkte er nicht. Übereinander staffelten sie
sich wie die Bremer Stadtmusikanten: Klößchen, Karl, Gaby, Tarzan — von unten.
Und in allen Mienen stand totale Verblüffung.
    Aber Schorbach schloß die Tür
hinter sich und stiefelte durch die düstere Empfangshalle zur Treppe. Hinterm
Empfang saß ein alter Mann, der so kurzsichtig war, daß er nicht unterscheiden
konnte, ob der Briefträger kam oder ein Gast nach oben ging. Jedenfalls nickte
er der schemenhaften Gestalt höflich zu und beugte sich dann wieder über das
Buch mit der extra-großen Schrift. Daß der Gast keinen Zimmerschlüssel
verlangte, wunderte ihn nicht. Manche behielten ihn, wenn sie nur mal kurz
ausgingen.
    Schorbach stieg die Treppe
hinauf.
     
    *
     
    Ein Jahr lang hatten sie sich
nicht gesehen und nichts voneinander gehört. Nun lagen sie sich in den Armen,
und Elly erschrak über das Aussehen ihres Bruders. Ein Todgeweihter.
    Worte fielen wie Sturzfluten.
Elly wußte nicht, ob sie sich freuen oder ob sie weinen sollte.
    Aber immer wieder versicherte
sie ihm, wie erleichtert sie sei, daß er den Verbrechern, den Terroristen, nun
den Rücken kehre.
    „Es war eine Verirrung“, nickte
er. „Aber das wäscht mich nicht rein. Auch meine Krankheit entschuldigt nichts.
Mein Leben ist schon so lange verpfuscht. Und ich weiß nicht, ob ich aus dem
Rest noch was machen kann. Wie geht es dir, Elly? Du siehst gut aus.“
    „Bei mir ist alles in Ordnung.
Ein Kollege will mich heiraten. Er ist lieb, aber 20 Jahre älter. Ich überlege
es mir noch. Doch zu dir, Erwin: Hast du nicht Sorge, daß man dich erkennen
könnte?“
    „Dem Foto auf dem Steckbrief
sehe ich nicht mehr ähnlich.“
    Er öffnete die Sektflasche, die
man ihm inzwischen gebracht hatte, und goß ein.
    „Hm. Ich weiß nicht. Ich würde
dich erkennen — in jeder Menschenmenge. Aber ich bin deine Schwester. Du hast
dir’s anders überlegt mit dem Schließfachschlüssel? Ich war entsetzt, Erwin,
als du das von der Bombe sagtest. Auch wenn dieser Schorbach ein schlechter
Mensch ist, darfst du ihn nicht in den Tod schicken. Dazu hast du kein Recht.
Man muß die Menschen vor ihm schützen. Aber nicht so. Er gehört ins Gefängnis.“
    Erwin schluckte. „Trinken wir
erstmal — auf unser Wiedersehen.“
    Sie stießen an mit den Gläsern.
Elly stellte ihres auf den Tisch, nachdem sie

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