Das Geiseldrama
Gaby?“ drang Kommissar
Glockners Stimme durch den Draht.
„Papi, es ist irre. Wir sind
Terroristen auf der Spur. Tatsächlich. Zwei von dem Steckbrief — du weißt. Und
zwar Erwin Roland und Heinz Schorbach. Wie wir die gefunden haben, erzähle ich
später. Jetzt nur: Schorbach hat Roland aus dem Hotel Blauer Turm in der
Mönchsgasse abgeholt. Wir haben ihn erkannt, als er reinging. Er trägt zwar
eine Perücke, eine blonde, aber das Gesicht ist unverwechselbar. Sie sind in
den Wagen gestiegen, mit dem Schorbach gekommen ist, in einen dunkelblauen Opel
mit dem Kennzeichen...“, sie nannte es und fuhr fort: „Tarzan verfolgt sie. Mit
seinem Rennrad kann er sicherlich Anschluß halten. Übrigens sah es so aus, als
hätte Schorbach den Roland gezwungen. Jedenfalls hat er ihn in den Wagen
gestoßen.“
„Ihr habt richtig beobachtet.“
Gabys Vater brauchte nicht lange, um die Überraschung zu verdauen. „Vor einer
halben Minute rief Elly Roland an und teilte mit, ihr Bruder wäre in Schorbachs
Gewalt. Roland ist nämlich aus der Terroristengruppe ausgestiegen und hat deren
Geld mitgenommen. Aber er wurde von Schorbach gefunden und soll jetzt das Geld
rausgeben. Es ist in einem Schließfach im Bahnhof versteckt. Ich muß Schluß
machen. Der Bahnhof soll abgeriegelt werden. Hoffentlich reicht uns die Zeit.
Bleibt um Himmels willen weg! Schorbach gilt als äußerst gefährlich. Wenn nur
Tarzan nichts passiert!“
Knacks! Die Verbindung war
unterbrochen.
Gaby sah ihre Freunde an,
während sie langsam den Hörer einhängte.
„Au Backe!“ unkte Klößchen.
„Jetzt fliegen die Fetzen. Und Tarzan ist bestimmt mitten drin.“
*
Mühelos folgte er dem blauen
Opel. Alle Naselang schaltete eine Ampel auf Rot. Tarzan mußte zurück bleiben,
um den beiden Terroristen nicht aufzufallen.
Aber die kannten ihn nicht, und
ein Jugendlicher wäre wohl der letzte gewesen, auf den sie geachtet hätten.
Außerdem näherte sich die Mittagszeit ihrem Ende, und die Straßen füllten sich
wieder.
Wollten die etwa zum Bahnhof?
Tatsächlich. Worum es wohl ging? Was war los mit den beiden? Friede,
Freundschaft, Eierkuchen herrschte nicht zwischen ihnen. Das stand schon mal
fest. Höchst undurchsichtig das alles. Wo war Elly geblieben? Im Blauen Turm,
natürlich. War auch sie Terroristin? Oder hatte sie nur mal ihren Bruder
besucht? Und der wurde jetzt von Schorbach abgeholt. Aber weshalb so grob?
Weshalb schubste der ihn?
Die Polizei wird das klären,
dachte er, wenn sie die beiden erstmal hat. Deshalb muß ich am Ball bleiben.
Gaby verständigt ihren Vater, also ist die Polizei alarmiert. Sicherlich suchen
die Streifenwagen bereits nach einem blauen Opel. Aber das bringt nichts, denn
der ist jetzt leer.
Er beobachtete, wie der Opel
auf dem Bahnhofs-Parkplatz abgestellt wurde, in hinterster Reihe.
Die beiden Terroristen stiegen
aus.
Erwin Roland sah aus wie der
Tod auf Latschen, und der Schnauzbart veränderte ihn. Tarzan war sich nicht
sicher, ob er ihn bei einer zufälligen Begegnung erkannt hätte.
Schorbach versteckte sich
hinter seiner Sonnenbrille. Die Gläser waren riesig und spiegelten. Eine gute
Tarnung.
Tarzan kettete sein Rennrad an
einen Laternenpfahl.
Als die Terroristen die
Bahnhofshalle betraten, war er dicht hinter ihnen.
Schorbach hatte Roland am Arm
gepackt, knapp über dem Ellbogen. Er führte ihn. Es fiel nicht auf. Aber die
Geste war unfreundlich. Außerdem steckte Schorbachs rechte Hand in der
Jackentasche. Was sie dort umklammerte, war bestimmt kein Schlüsselbund.
Tarzans Blick suchte die Halle
nach einem Polizisten ab. Aber es war keiner da.
Als sie an den Telefonzellen
vorbei kamen, überlegte er, ob er hineinspringen und beim Präsidium anrufen
sollte. Er entschied sich dagegen. Es hätte zuviel Zeit gekostet. Schorbach
beschleunigte jetzt den Schritt, drängte Roland vorwärts und schien sein Ziel
zu kennen.
Sie gingen an der langen Reihe
der Schließfächer entlang. Vor Nr. 97 blieben sie stehen.
Tarzan war ein Dutzend Schritte
entfernt. Aus dem Augenwinkel beobachtete er, während er sich näherte. Er
verhielt sich, als suche er ein bestimmtes Fach.
„Los, mach’s auf!“ befahl
Schorbach. Gleichzeitig wich er zur Seite; drei, vier, fünf Meter.
Tarzans Fuß stockte. Himmel!
Was erwartete der? War das Fach voller Klapperschlangen?
Roland hielt den Schlüssel in
der Hand. Er zögerte. Das ausgezehrte Gesicht wandte sich Tarzan zu. Für eine
Sekunde begegneten sich ihre Blicke.
Weitere Kostenlose Bücher